PR 2620 – Fremde in der Harmonie
bereits ein Dutzend Mal genauestens studiert hatte. Er begann mit der Zeitangabe 3AA-FG8-8A70 Adoc-Lian, als ich auf dem Campus der Harmonieschule in diesem verfluchten Spiegel-Kunst-Kabinett von den Jugendlichen überrascht wurde. Nur wenig später endete er mit dem geheimnisvollen Verschwinden des Jungen, den ich statt des Unharmonischen verfolgt hatte.
Ich beschönigte nichts. Ich gab offen zu, übertölpelt worden zu sein. Aber ich vergaß nicht, darauf hinzuweisen, dass die Flucht des Jyresca offenbar von langer Hand geplant gewesen war. Es hatte mich einiges gekostet, ihn bis zum Campus zu verfolgen und dort genau zu lokalisieren – Wochen der Vorbereitung!
Und dann? Ich wusste immer noch nicht, was exakt im Einzelnen geschehen war. Wieso hatten so viele ihn unterstützt?
Eines allerdings stand fest: Es war nicht das erste Mal gewesen. Ich kannte Berichte anderer Harmoniewächter, die mir sehr zu denken gaben. Auf Klion wurde eine äußerst bedenkliche Entwicklung von Tag zu Tag, von Fall zu Fall deutlicher.
Ich aktivierte die Sprachaufnahme und fügte meinen Erklärungen eine abschließende Stellungnahme hinzu.
»Meiner Einschätzung nach bringt jemand gezielt Unharmonische in Sicherheit, bevor die Harmoniewächter sie ausfindig machen können. Aber wer? Und warum? Diese beiden entscheidenden Fragen kann ich leider nicht beantworten. Wir müssen handeln! Uyari Lydspor, 3AA-F01-E380 Adoc-Lian, Ende.«
Ohne meine Worte noch einmal zu sezieren und zu überarbeiten, ließ ich das kleine Speicherplättchen in einer Innentasche meines Jagdanzugs verschwinden. Genug war genug.
Jagdanzug. So nannte ich die nach traditionellem Muster gebundenen Plastikfolien, die sich vor allem über meinem Rücken aufspannten.
Ich hatte ihn selbst entworfen und natürlich einige Besonderheiten eingeflochten; von sentimentalen Nutzlosigkeiten wie einem Stück Haut meines verstorbenen Vaters über handfestere Argumente wie insgesamt acht Folienbomben, die nur ein absoluter Profi als solche erkennen würde.
Das Schwierigste dabei war gewesen, sie vor unabsichtlicher Detonation zu schützen; es hatte mich Nerven, viel Geld und die Hilfe des einen oder anderen zwielichtigen Partners gekostet.
Ich gönnte mir eine exakt acht Sekunden dauernde Befeuchtungsdusche in meiner Hygienezelle, dann ging ich hinaus in die allzu trockene Luft Klionas'.
*
Als Kandran hatte ich es in Klionas nicht einfach. Mein Volk liebte die Feuchtigkeit, doch die Stadt war in dieser Hinsicht alles andere als ein Paradies.
Trotzdem hatte es sehr viele meines Volkes an diesen Ort verschlagen. Warum dies der Fall war, damit hatte ich mich nie auseinandergesetzt, seit ich nach Klion versetzt worden war.
Es regnete viel zu selten. Stattdessen staute sich Hitze zwischen den Straßenzügen. Außerdem widersprach der Anblick der scheinbar willkürlich zusammengewürfelten Fassaden und Stilrichtungen der Gebäude meinem ausgeprägten Bedürfnis nach Ebenmäßigkeit.
An den meisten Stellen glich keines der nur wenige Stockwerke hoch aufragenden Häuser dem anderen – wohl eine Reminiszenz daran, dass nicht nur Vertreter vieler Völker dort lebten, sondern dies schon seit der Erstbesiedlung des Planeten der Fall war.
Am Rand des Reiches der Harmonie versammelten sich die unterschiedlichsten Escalianer; die Gesellschaft diversifiziert zu nennen käme dem Sachverhalt nicht nahe genug. Multiharmonisch, vielleicht. Sie alle waren Harmonische, doch das sagte leider nichts über guten Geschmack, Herkunft und Sitten.
Ungeachtet solcher Unterschiede war jeder von ihnen tausendmal mehr wert als ein Fremder. Was meine Gedanken wieder zurück zu meinem aktuellen Problem lenkte. Und damit zu meinem Versagen. Es gab einen Jyresca mehr auf dieser Welt, als es geben dürfte.
Ein Eindringling, der nur deshalb noch sein Unwesen trieb, weil ich meine Aufgabe nicht korrekt ausgeführt hatte. Mein Gegner hätte nicht entkommen dürfen!
Ich quälte mich in Selbstvorwürfen, und daran änderte nichts, dass meine Versagensquote weitaus geringer war als die der meisten anderen Harmoniewächter.
Direkt vor meinem Wohnhaus erwartete mich wie immer der herrliche Duft von gebratenen Zinnober-Marenen.
Vor mehr als einem Urd war der alte Verkäufer plötzlich dort aufgetaucht, in seinem faltbaren Verkaufshüttchen, und seine Marenen waren stets frisch. Woher er sie bezog, blieb ein Geheimnis, das ich ihm nicht hatte entlocken können.
Seine Gesichtsmaske war selbst einer
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