PR 2620 – Fremde in der Harmonie
anderen die Harmonischen, die ihn unterstützten.
Auch in diesem Fall fertigte ich die am besten passenden Bilder an und speicherte alles auf meine mobile Dateneinheit.
Damit kehrte ich zu Koos zurück.
Der Schulleiter führte gerade ein Holo-Funkgespräch mit einer mir nicht sichtbaren Person. Als er mich sah, beendete er es recht abrupt.
»Verwaltung«, sagte er in geringschätzigem Tonfall und wandte sich mir zu. »Bist du fündig geworden? Konnte ich dir weiterhelfen?«
»Du kannst noch weitaus mehr tun, um die Feinde der Harmonie zu entlarven. Ich möchte dir einige Bilder zeigen. Dein besonders ausgeprägtes Gedächtnis hilft dir hoffentlich, sie trotz ihrer Tarnungen zu identifizieren.«
Koos kam näher zu mir. »Ich werde es gern versuchen.«
*
Es dauerte nicht lange, und ich verließ die Harmonieschule mit drei Namen.
Der Schulleiter war überzeugt davon, sich bei der Zuordnung nicht zu irren. Ich hatte ein ungutes Gefühl dabei, dass alles so leicht gegangen war, nahm es aber dankbar als Geschenk an. Wenn es ausnahmsweise weniger Schwierigkeiten bereitete als befürchtet, wollte ich der Letzte sein, der sich darüber beschwerte.
Als Erstes stand ein gewisser Jahcen Nehru auf der Liste, der Sohn eines Ehepaares, das nie auf- oder gar straffällig geworden war. Der Vater war vor einem Urd verstorben, als Folge eines Zusammenstoßes zweier Gleiter. Die automatischen Sicherheitskontrollen waren defekt gewesen.
Ich traf nur die Mutter unter der genannten Adresse an, eine braunhaarige Lirbal, schlank und ungewöhnlich kleinwüchsig.
Auf mein Kommen reagierte sie überrascht, aber nicht ablehnend. Als ich mich als Harmoniewächter vorstellte, bat sie mich herein und zeigte sich kooperativ und gesprächsbereit.
Allerdings nannte ich ihr nicht sofort den Grund meines Besuchs. Darauf kam ich erst zu sprechen, als sie mich auf die kleine Grünfläche hinter dem Haus führte, das sie seit dem Tod ihres Partners allein mit ihrem Sohn bewohnte.
Ich blieb vor einem winzigen Teich stehen – einer besseren Pfütze. »Ich bin hier, um mit Jahcen zu reden.«
»Er ist nicht hier.«
Warum überraschte mich das nicht? »Wo kann ich ihn finden?«
Sie lachte unsicher; ein Laut, hinter dem sie nach all meiner Erfahrung mit Lirbal wie ihr nur ihre Angst und Sorge verbarg, die sie für ihren Nachwuchs empfand. »Er bleibt manchmal tagelang weg, ohne dass ich weiß, wo er sich aufhält. In seinem Alter ist es schwer, sich ...«
»Das verstehe ich«, versicherte ich, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie sich fühlte. Weder hatte ich eigenen Nachwuchs, noch waren Lirbal und Kandran in ihrer psychologischen Beziehung zu ihren Abkömmlingen vergleichbar. Das Einzige, was mich noch mit meinen Eltern verband, war das Stück Haut meines Vaters in meinem Einsatzanzug.
»Warum ... weshalb willst du ... also, was kann ein Harmoniewächter von Jahcen wollen?«, stotterte sie. Mit einem Mal war die Angst noch deutlicher spürbar.
»Er hat möglicherweise etwas mit der Flucht eines Jyresca zu tun«, offenbarte ich ihr schonungslos. »Was weißt du über seinen Harmoniebewahrer?«
»Seinen ... Escaran?« Nun klang sie völlig fassungslos. »Wieso, was ... was ist damit?«
»Hat er je über ihn gesprochen? Über seine Form oder ...«
»Nein!«, rief sie, ein wenig zu hastig, doch das war eher auf ihre Nervosität zurückzuführen als darauf, dass sie mich zu täuschen versuchte. Zumindest sagte mir das mein Instinkt – diese Frau war harmlos, wusste nichts über die Machenschaften ihres Sohnes; dass er dem Unharmonischen zur Flucht verholfen hatte, stand jedoch fest, ich hatte es nur ihr zuliebe als Möglichkeit formuliert.
Ich bohrte in dieser Hinsicht vorsichtig nach, brachte allerdings nichts mehr in Erfahrung. Das bedauerte ich noch mehr als das Verschwinden des Jungen, denn es beschäftigte mich sehr, wie ein Harmonischer trotz seines Escaran und der Harmonisierung einem Jyresca beistehen konnte; eigentlich ein unmöglicher Vorgang.
Wenige Minuten später verabschiedete ich mich von der freundlichen, aber nun völlig aus der Fassung geratenen Mutter. Ich suchte die Familien der beiden anderen Namen auf meiner Liste auf – mit exakt demselben Ergebnis: keinem.
*
Die zunächst so vielversprechende Spur war übergangslos erloschen. Nun wunderte es mich nicht mehr, dass ich so leicht an die Namen gelangt war: Die Täter hatten vorgesorgt und es vorgezogen, von der Bildfläche zu
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