PR 2620 – Fremde in der Harmonie
Aufzeichnungskristalle der Kunsthalle«, wiederholte ich mein Anliegen.
Koos lächelte; man konnte es tatsächlich sehen, weil sich seine Ohren dabei ein wenig hoben. Sonst verbarg die Maske seine Mimik wie bei jedem anderen Escalianer, aber ich war überzeugt davon, dass er diesen Einblick in seine Körpersprache seinen Schülern ganz bewusst ermöglichte.
»Ich hatte dich schon verstanden«, sagte er gutmütig. »Ich bin nur überrascht.«
»Ich weiß, dass es nicht die Art und Weise ist, wie ein Harmoniewächter für gewöhnlich vorgeht. Doch das ändert nichts an den Tatsachen. Es gibt keine Präzedenzfälle, aber ich bin überzeugt, dass ich die Einsicht durchsetzen kann, wenn es nötig sein sollte.«
»Ganz sicher nicht«, wiegelte Koos ab. Er trug ein Hemd mit dem Symbol der Harmonieschule, unserer stilisierten Galaxis, über die sich eine unendliche Vielzahl von Punkten verteilte: die Harmoniebewahrer. Es hing lose über der ausgemergelten Schulter; einige der Escaran-Zeichen verschwanden in einer Falte. »Ich werde dir freiwillig Einblick gewähren, denn ich bin überzeugt, damit der Harmonie zu dienen und das zu unterstützen, was notwendig und richtig ist.«
»Danke!«, sagte ich nur.
Es kostete Koos nur wenige Augenblicke, über den Zentralrechner der Schule Zugriff auf die Aufzeichnungen zum fraglichen Zeitpunkt zu gewinnen. Von hier aus war er mit jedem einzelnen technischem Gerät auf dem gesamten Campus verbunden.
Ein leises Summen ertönte, dann nahm er aus dem Ausgabefach einen frisch erstellten Datenkristall. Er reichte ihn mir. »Er steht dir zur freien Verfügung, denn ich weiß, dass ich dir vertrauen kann. Schon als Schüler hattest du einen aufrechten Charakter. Ich ahnte bereits damals, dass du eine Laufbahn als Harmoniewächter antreten würdest.«
»Du kannst dich tatsächlich an mich erinnern?«
Der Schulleiter lachte, und wieder bewegten sich leicht seine Ohren. »Mein Gedächtnis ist extrem gut. Als Kind haben die Ärzte sogar vermutet, ich wäre latent parabegabt. Ich kann mich an alle meine Schüler erinnern.« Er beugte sich näher zu mir, wie verschwörerisch. »An manche im Guten, an andere im Schlechten.«
Ich nahm den Speicherkristall an mich. »Wo kann ich ungestört ...«
»Gleich nebenan. Das Gerät ist allerdings nicht vollkommen isoliert und sicher. Es kann theoretisch von außen darauf zugegriffen werden.«
»In Ordnung.« Solange ich keine speziellen Untersuchungen anstellte, sollte das kein Problem darstellen. Vorerst ging es mir nur darum, die Aufnahmen zu sichten und auf diesem einfachen Weg vielleicht einen oder mehrere der Angreifer zu identifizieren.
Ich ging in die Richtung, die er mir wies.
Die Tür öffnete sich automatisch. Im Raum dahinter standen vier Arbeitsterminals mit bequem aussehenden Sitzen, einer davon auch für die Bedürfnisse eines Kandran ausgerichtet.
Fenster gab es keine, dafür ein breites Oberlicht, das alles in angenehme Tageshelligkeit tauchte. Rundum hingen an den Wänden Holoaufnahmen aus dem Campusleben; sie zeigten die Gebäude, aber auch Gruppen von Dozenten, Studenten und Schülern.
Eine der Aufnahmen bestand sogar aus einer Videosequenz; alle Escalianer darauf bewegten sich. Eine Unsitte, die mich sehr ablenkte, jedoch weit verbreitet war.
Ich bat Koos noch, dafür zu sorgen, dass ich nicht gestört wurde, dann ging ich an die Arbeit.
Es war seltsam, mich selbst in dem teilzerstörten Spiegelkabinett zu sehen, und das gleich in mehrfacher, variabler Ausführung. Mit der Distanz der Kameraaugen sah ich dickere, ältere, jüngere Versionen von mir; die meisten lösten sich auf, als mein wirkliches Ich den Hauptspiegel zerstörte.
Interessant wurde es erst später, als die Jugendlichen und Schüler sich mir in den Weg stellten und angriffen. Ich war sicher, dass sie für diese Aktion falsche Masken nutzten, um ihre wahre Identität zu verbergen.
Dennoch extrahierte ich einige Aufnahmen, unter anderem das Bild eines Mädchens während des Sturzes, als seine Maske verrutschte und den Blick auf sein Gesicht freigab.
Mehrere Male spielte ich die Kampfszenerie ab, bis ich schließlich auf die Speichereinheit einer zweiten Kamera zugriff, die im Freien die ersten Meter der Flucht aufgezeichnet hatte. Als sich alles in die Bereiche des botanischen Gartens verlagerte, endeten die verwertbaren Bilder.
Zuvor jedoch waren kurz die drei Schüler zu sehen, die ich verfolgte; einer von ihnen musste der echte Jyresca sein, die beiden
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