PR 2627 – Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS
lächelte, und er wunderte sich, als er einen metallenen Geschmack auf der Zunge spürte. Seltsam, dass der Anzug nach wie vor dicht ist. Was für ein Wunderwerk der Technik ... Ich werde dem Konstrukteur einen Dankesbrief schreiben, sobald diese leidige Geschichte hier erledigt ist.
Er setzte sich in Bewegung. Tapsig und langsam, einen heftig schwankenden Gang entlang. – Oder war er es, der schwankte?
Wo befand sich der nächste Rechner-Knotenpunkt? Seltsam. Seine Gedanken verwirrten sich, und er musste sich anstrengen, die Kontrolle über seine Schritte zu behalten. Doch er wusste, wohin er sich wenden musste.
Die GEMMA FRISIUS war so lange sein Zuhause gewesen, dass er sich blindlings orientieren konnte, trotz der durch 37 verursachten Umbauten.
Er trat durch eine doppelte Sicherheitsschleuse. Beide Tore schlossen sich unmittelbar hinter ihm. Der SERUN zeigte an, dass in diesem Bereich der GEMMA FRISIUS Atemluft verfügbar war. David nahm seine eigenen, schleppenden Schritte wahr. Die Sichtfläche seines Helms beschlug für einige Augenblicke. Als er wieder klar sah, flammte Licht auf. Es handelte sich um einen Schiffsbereich, der nur wenig unter den Umtrieben von 37 gelitten hatte.
Sollte er erleichtert sein? War er in Sicherheit, war dies ein sicheres Rückzugsgebiet?
David zweifelte.
Er rief sich in Erinnerung, wohin er wollte, und ging weiter.
Holobilder erschienen links und rechts von ihm, entlang des Ganges.
Will 37 mich verhöhnen?
Die Holos zeigten Aufnahmen aus allen Bereichen des Schiffs. Von TARAS, die umherschwärmten und die GEMMA FRISIUS nach womöglich noch lebenden Besatzungsmitgliedern absuchten. Ihm jedoch wichen die Maschinen weiträumig aus. Als wüssten sie, wo sich sein Ziel befand, und als wollten sie, dass er es erreichte.
Davids rechte Körperhälfte war taub, sein Bein nur ein unnötiger Klotz, der kaum auf seine Befehle reagierte. Schmerzmittel betäubten seine Sinne.
»Das will ... ich nicht!«, sagte er stockend.
Er lebte! Er wollte jede Sekunde seiner Existenz auskosten. Wollte sich ihrer bewusst sein und nicht dahindämmern, betäubt und von Pharmaka seiner Empfindungen beraubt.
Da war die kleine Nebenzentrale, die ihm direkten Zugang zum Rechnernetz gewährte. Ein TARA stand im Raum, die Waffenarme waren auf David ausgerichtet. David wollte seinen Arm heben und feuern. Doch da war nichts mehr, was sich bewegen ließ, was auf seine Anweisungen reagierte.
Er starrte den TARA an und wartete auf das Unvermeidliche.
Doch es kam nicht.
Der Kampfroboter schwebte an ihm vorbei, mit jener unerträglichen Leichtigkeit, die diese verfluchten Maschinen auszeichnete, obwohl ihre Masse so groß war.
David wartete, bis der Roboter den Raum verlassen hatte. Er schloss sich ein und blockierte den Öffnungsmechanismus. Das Ding hatte ihn verschont, aus welchen Gründen auch immer! Es scherte ihn nicht.
Er wollte sich vorsichtig niedersetzen; doch das rechte Bein gab unter seinem Gewicht nach. Ächzend ließ er sich fallen. David ahnte, wie schlimm der Schmerz ohne die betäubende Wirkung der Medikamente sein musste. Schon der Gedanke daran bewirkte, dass er kaum bei Bewusstsein bleiben konnte.
Er überprüfte die Funktionstüchtigkeit des Rechners und aktivierte ihn dann. »Selbstzerstörung«, flüsterte er und nannte einen Kode. »Ich verlange, dass die GEMMA FRISIUS vernichtet wird.«
Keine Reaktion. Die Positronik blieb aktiv und zeigte schlaglichtartig Bilder aus anderen Bereichen des Schiffs. Doch sie gehorchte nicht.
David wiederholte den Befehl. Immer und immer wieder. Er verfluchte die Positronik. Er bettelte sie an. Er weinte. Er zeichnete seine Anweisungen mit zittrigen Fingern über die Eingabefelder des Terminals.
Nichts.
37 hatte wohl schon jeden Bereich des Schiffs für sich eingenommen, auch diesen hier. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war. Der Feind spielte mit ihm. Aus Gründen, die rätselhaft blieben.
Ein Holo flammte auf, dann noch eines. Immer mehr Bilder waren es, die einander frappierend ähnelten. Sie zeigten Szenen aus dem Weltraum. Es dauerte eine Weile, bis David sie verstand: Die Aufnahmen stammten nicht von der GEMMA FRISIUS; sie waren von Kameras aufgenommen worden, die sich an Bord des seltsamen Blütenblatts befanden.
Gemäß der Angaben, die der Bordrechner lieferte, hatten sie vor wenigen Minuten das Solsystem erreicht. Hinter einem feinen Nebel, der Teile der kugelförmigen Oortschen Wolke darstellte, lag seine Heimatwelt verborgen.
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