PR 2627 – Die letzten Tage der GEMMA FRISIUS
Beurteilung.
8.
GEMMA FRISIUS
4. September 1469 NGZ
Weiterer Widerstand. Schwierigkeiten. Fehler. Irritationen.
Kleber 37 macht Erfahrungen, die ihm unverständlich bleiben und sich kaum in Einklang mit seinem Auftrag bringen lassen. Auch Initialfaden 37 und Beißer 37 sind überfordert.
Sie müssen ihre Pflicht so gut wie möglich und so exakt wie möglich erledigen. Auf die Organismen an Bord kann keine Rücksicht mehr genommen werden.
*
Einige Protonenstrahl-Impulstriebwerke waren bereits beschädigt worden, wohl ein Werk anderer Mitglieder der Schiffsbesatzung. Reparatur-Roboter standen umher oder wuselten ziellos durch die Gegend, mit Trümmern oder Neuteilen in den Greifzangen. Sie schienen nicht recht zu wissen, wie sie mit diesen substanziellen Schäden umgehen sollten.
37 versteht uns nicht. Er benötigt uns womöglich, um sein Ziel zu erreichen. Andernfalls hätte er längst Mittel eingesetzt, um uns allesamt zu vernichten.
Sein Gegner wusste sich gegen die Sabotageakte nicht zu wehren, die David Campese vollführte. Er schlich entlang des Ringwulstes durchs Schiff, ignorierte tunlichst Tod und Verwüstung und zerstörte ein Triebwerk nach dem anderen. Es war ein Weg, der eine innere und meditative Ruhe verlangte. Trotz aller Eile tat er seine Arbeit so gründlich wie möglich. Er säte Vernichtung. Zerstörte mit einer Hingabe, die ihn unter anderen Umständen schockiert hätte.
Er war wie ein Mann, der sein in einem riesigen Ozean treibendes Boot mit der Axt leckschlug und die Ruder zu Kleinholz verarbeitete.
David hatte von Julian Tifflors Zehn-Millionen-Jahre-Marsch gehört. Hatte sich der Unsterbliche in einem ähnlichen geistigen Zustand befunden, in dem buchstäblich alles seine Bedeutung verloren hatte? In dem selbst die eigene Existenz nur ein unbedeutendes Detail war und man nicht mehr wusste, ob man sich vorwärts bewegte oder bloß der Gedanke eines Gedanken war?
Einige TARAS traten ihm in den Weg. David zerstrahlte sie. Er tat es mit sonderbarer Präzision. Er wusste, dass ihn die Kampfroboter niemals würden aufhalten können. Er ahnte ihre Verhaltensweisen voraus und kannte ihre verwundbaren Stellen.
Binnen weniger Stunden war er von einem trockenen und ein wenig weltfremden Wissenschaftler zu einer präzis arbeitenden Kampfmaschine geworden.
So leicht streift man sein Leben ab wie eine alte Haut ...
Alle Impulstriebwerke waren zerstört, ebenso vier der insgesamt zwölf Gravotron-Feldtriebwerke. Bei weiteren vieren gelang es David, die Energieversorgung zu sabotieren. Nur noch vier Geräte, sagte er sich. Dann habe ich meine Aufgabe erfüllt. Dann kann ich ...
... ja, was blieb zu tun? Sollte er sich hinsetzen und auf den Tod warten?
Etwas rempelte gegen seine Schulter. David fühlte Schmerz und stürzte zu Boden. Er feuerte, ohne lange zu überlegen und die Konsequenzen zu bedenken. Unmittelbar neben ihm explodierte ein Reinigungsroboter, der sich von der Decke herab auf ihn hatte fallen lassen.
Schalenteile spritzten nach allen Richtungen davon, zwei davon trafen ihn an der Schulter. Flüssig heißes Metall klatschte gegen den Anzug und verfärbte ihn schwarz, bevor es verhärtete.
David blieb liegen und wartete. Auf jenes Zischgeräusch, das auf einen Verlust von Atemluft hinwies. Doch es kam nicht. Der SERUN hielt dicht.
»Ich lebe noch«, sagte er. »Ich bin ein Glückskind.«
Dann kam der Schmerz. Unvermutet, wie der Schlag mit einem Prallfeld-Hammer.
David konnte kaum den Kopf weit genug zur Seite drehen – und er wünschte, er hätte es bleiben lassen. Denn durch einen fingerbreiten Schlitz, dort, wo der Helmring auf seinem Oberkörper aufsaß, blickte er auf Schulter und Brust.
Da war bloß noch eine Masse aus Fleisch, aus der vereinzelt weiße, spitze Dinger hervorstachen. Der Reinigungsroboter hatte seine rechte Körperseite fast vollständig zerquetscht.
Das Atmen fiel ihm schwer. Er meinte zu fühlen, wie Blut ins Leere pumpte. Wie es den gewohnten Kreislauf nicht durchlaufen konnte und stattdessen irgendwo ins Freie drang, seinen Körper hinabrann, um sich in den Fußteilen des Anzugs zu sammeln.
Die Medo-Einheit leitete lebenserhaltende Funktionen ein. Sensoren erfühlten die Wunden, maßen das ganze Ausmaß an Zerstörung an seinem Körper an und empfahlen der Medo-Einheit, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Doch gegen das da gab es kein Heilmittel, keinen Schutz. Er war tot, auch wenn es sein Körper nicht wahrhaben wollte.
David
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