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PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa

PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa

Titel: PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Energieriegeln waren ihnen nicht abgenommen worden. Immerhin brannten am oberen Rand des Trichters einige Fackeln oder Öllampen und verhinderten die absolute Finsternis, die Routh aus den vergangenen Nächten kannte.
    Der linke Arm schmerzte noch immer, die Entzündung war nicht zurückgegangen. Das Implantmemo versuchte nach wie vor vergeblich, den alten Zustand herbeizuführen – minutenlang berichtete Puc mit tiefer, sonorer Stimme seinem großen Bruder, was er in Copürn-Khlat mit dem Richtmikrofon-Element und der Mikrosonde belauscht und herausgefunden hatte.
    Grundsätzlich gibt es zwei Denkrichtungen, zumindest in dieser Siedlung. Die Neusonnen-Geburtler und die Unterland-Erneuerer. Die einen glauben, dass die Sonne jeden Tag neu geboren wird, die anderen geben vor zu wissen, dass sie sich in jeder Nacht unter dem Land, unter der Wüste, erneuert und neun Stunden später wieder in voller Kraft erscheint. Aber sie streiten auch wegen der Holzpilzhaine, also wegen Baumaterial, Feuerholz und dem Aufenthaltsort der Herden. Dass sie die Vae-Vaj und die Foy-Spinnenwesen jagen, weißt du ...
    Die Verbindung riss wieder ab. In Rouths Gedanken widerhallte ständig ein Begriff.
    Flucht!
    Routh und Taomae befanden sich in mitleiderregendem Zustand. Seit Tagen ungewaschen, mit strapazierter, schmutziger Kleidung und schmerzenden Muskeln. Sie rochen nach kaltem Schweiß, Leder und Stoff. Rouths fettes, verfilztes Haar klebte am Schädel, sein Bart wucherte und kratzte. Noch reichte das Wasser im Tank, aber die Energieriegel gingen zur Neige.
    Fieberhaft überlegte Shamsur, wie sie entkommen und er wieder in den Besitz des Reizfluters gelangen konnten. Ständig gingen seine Blicke zu den Seilen und Umlenkrollen hoch über dem Käfig des Bewahrtrichters.
    Nicht ein einziger Cocculare ließ sich blicken. Von Puc war die Information gekommen, dass dieses Gefängnis einige hundert Schritt außerhalb der runden Stadtmauer Copürn-Khlats lag. Flucht? Wie sollte der Versuch angefangen werden? Verdammter Trichter!
    »Wenn wir Vae-Vaj sterben, nehmen wir unsere Ursprungsgestalt an«, hatte die Spiegelin ihm erklärt. »Die Coccularen wissen also genau, wie wir aussehen.«
    »Was willst du mir damit sagen?«
    »Sie können bisher nicht wissen, ob du ein Spiegel bist, also ein Vae-Vaj. Bist du ein Feind, eine besonders listige Beute, oder vielleicht sogar ein Jäger wie sie, ein möglicher Freund, der mit ihnen die Vae-Vaj jagt?«
    »Diese Hoffnung hält sie wohl davon ab, mich umzubringen«, sagte er leise. Zorn und Enttäuschung erfüllten ihn, Wut darüber, versagt zu haben, der Hass auf den jämmerlichen Zustand und die Vorstellung, dass die nächsten Stunden und Tage nicht die geringste Hoffnung übrig ließen. Das Regularium! Anicee! Der Kontinent Saylomin und die Hauptstadt Anboleis – jedes dieser Ziele war fragwürdig geworden.
    »Fällt dir etwas ein?« Routh zeigte nach oben, wo die Seile und das Ende des Leiterstegs zu sehen waren. Der Käfig hatte kein Dach; die Unterseite des Schutzschirms färbte sich rötlich. »Es genügt, wenn ein Seil reißt. Oder etwas Ähnliches.«
    Taomae 1113 schüttelte den Kopf. Auf dem Boden des Bewahrtrichter-Gefängnisses sah sie wie eine terranische Frau aus, allerdings wie eine ungepflegte, verwahrloste Frau. Ihr dunkles Haar, die dunklen Augen und die gebräunte Haut verstärkten den Eindruck.
    »Wir können nur hoffen, dass irgendein Zufall uns hilft«, antwortete sie niedergeschlagen. Sie tränkte aus Rouths Trinkschlauch einen Zipfel ihres Thermomantels und versuchte mit wenig Erfolg, ihr Gesicht zu reinigen.
    Routh lehnte sich gegen die geflochtene Wand, schloss die Augen und badete in Verzweiflung.
     
    *
     
    Nach der Flut des tiefroten Abendlichtes und dem Anbruch der Nacht brannte am Trichterrand nur ein einziges Licht. Im Lauf der vergangenen Stunden hatten die Verzweiflung und die Einsamkeit und die Versuche, miteinander zu reden, Routh und Taomae dazu gebracht, die Nähe des jeweils anderen zu suchen. Schließlich hatte die Vae-Vaj ihren Arm um ihn gelegt und lehnte mit ihrem dunklen Kopf an seiner Schulter. Beide hatten ihr Schuhwerk abgestreift und saßen auf den zusammengefalteten Thermomänteln.
    Die Erinnerung an die Verliebtheit und die ersten Jahre des harmonischen Zusammenseins mit Henrike Ybarri und die doppelgängerische Ähnlichkeit, die scheinbare Identität Taomaes mit Anicees Mutter, die Intimität, die in der Dunkelheit wuchs, verwischte alle Unterschiede

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