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PR 2640 – Splitter der Superintelligenz

PR 2640 – Splitter der Superintelligenz

Titel: PR 2640 – Splitter der Superintelligenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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setzte sich wieder. »Wer bin ich, dass ich die Überlegungen des Kanzlers kenne?« Es klang überhaupt nicht wie das Eingeständnis einer Schwäche, vielmehr wie eine willkommene Ausrede, nicht mehr offenbaren zu müssen.
    Weshalb verschlug es einen mächtigen Mann wie den Kanzler zu ihnen? Und warum kümmerte er sich ausgerechnet um einen Fremden?
    In Escalian gab es 4096 Verwaltungs- und Regierungssektoren mit jeweils einer Herzogin oder einem Herzog an der Spitze. Deren Auswahl traf die Superintelligenz TANEDRAR, die über die Escaran, ihre Splitter, ohnehin mit allen Individuen in Verbindung stand – jedenfalls mit denen, die harmonisch waren.
    Diese 16 mal 16 mal 16 Vertreter ihres Regierungsbezirks bildeten den Rat der Herzöge und vereinten Legislative, Exekutive und Judikative in sich. Faktisch gehörte ihnen also alle Macht im Reich der Harmonie. Im Rat wiederum nahmen 256 – 16 mal 16 – einen besonderen Rang ein, indem sie gleichzeitig den Titel Harmonieverkünder tragen durften, was für das Privileg einer noch engeren Bindung mit TANEDRAR stand.
    Der Oberste Harmonieverkünder, der mächtigste unter ihnen, war zugleich König des Reiches, und diesen unterstützte beratend der Kanzler. Beide herrschten über die gesamte Galaxis, und sie waren von TANEDRARS Gnaden initiiert – nichts konnte ihre Stellung anfechten.
    Melwai Vedikk, der aktuell amtierende Kanzler, stammte aus dem Volk der Lirbal, genau wie Carmydea, Craton und ihre Großmutter, die bis vor Kurzem spurlos verschollene Herzogin Rhizinza Yukk, die als Verräterin galt.
    Vielleicht reagierte ihr Bruder nur deshalb mit solch verbissenem Hass, weil mit einem Mal nicht mehr nur seine Zwillingsschwester einen Schandfleck in der Familie Yukk darstellte.
    Auf einmal gelang es ihr nicht mehr zu schweigen. Wenn der Kanzler so nah war ... wenn sie vielleicht auch mit ihm reden konnte ... wenn Alaska sie mitnahm zur Audienz ...
    Sie sprang von ihrem Stuhl auf. »Der Kanzler, der immerhin in direktem Kontakt zu TANEDRAR steht, will also mit Alaska Saedelaere sprechen? Er soll sich lieber um die Unharmonischen kümmern, die keine Verbrecher sind! Craton, du weißt so gut wie ich, dass ich aus purem Zufall keinen Begleiter erhielt. So wie mir geht es vielen! Wir sind keine Verbrecher«, wiederholte sie, obwohl sie genau wusste, dass ihr Appell ungehört verhallen würde. »Wir können aus irgendwelchen fremdbestimmten Gründen nicht an der Harmonie teilnehmen und werden deshalb gejagt! Wenn TANEDRAR so viel Wert auf die Harmonie legt, warum kommt es dann so oft zu diesen Fehlern?«
    Craton schnitt ihr mit einer herrischen Geste das Wort ab. »TANEDRAR unterlaufen keine Fehler! Und wer etwas anderes behauptet, muss die Strafe tragen!«
    Carmydea hörte hastige Schritte hinter sich.
    Ein Wächter eilte auf sie zu. Seine Maske schien aus Porzellan erstarrt zu sein, und eine stilisierte Träne verharrte darauf für alle Zeiten. In seiner Hand hielt er einen Schockerstab.
    Endlich zeigst du dein wahres Gesicht, Craton, dachte sie noch. Endlich nimmst du die Maske ab.
    Der Wächter rammte ihr den Schocker zwischen die Schulterblätter.
    Es knallte, und als Erstes fühlte sie die Kraft, die sie nach vorne drückte. Der Schmerz kam im selben Moment, als sie mit dem Gesicht auf die Tischplatte krachte. Flüssiges Feuer rann von ihrem Rücken in alle Richtungen, entflammte jede Ader, jeden Muskel.
    Sie wollte schreien, doch ihre Kiefer gehorchten ihr nicht, schnappten sinnlos auf und zu. Die Zähne schrammten über die Tischplatte, und ihre Maske schien sich in die Haut schneiden zu wollen.
    Als der entsetzliche Schmerz nachließ, zuckte ihr gesamter Körper noch immer. Die Arme schlugen unkontrolliert gegen eine Schüssel und zerbrachen sie. Eine flüssige Gemüsepaste quoll heraus, auf Carmydeas Gesicht zu.
    Und ich bin nicht einmal fähig, mich wegzudrehen.
    Jemand anderes packte sie und hob sie in aufrechte Position. Ihr Kopf kippte nach hinten und zuckte zwischen den Schultern hin und her. Dabei huschte Alaska Saedelaere immer wieder durch ihr Blickfeld. Nein – er stand und hielt sie fest, während ihre Augen in den Höhlen rollten wie Murmeln.
    Sie schämte sich, als sie durch die Kleidung spürte, dass ihr gesamter Oberkörper mit Essen verschmiert war.
    Nur langsam ebbten ihre unkontrollierten Muskelkrämpfe ab. Sie sah Saedelaere dankbar an, der den Tisch offenbar rasch umrundet hatte, um ihr beizustehen. Wenigstens das hatte Craton ihm nicht

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