PR 2640 – Splitter der Superintelligenz
bevor.«
»Erfreulich?«, wiederholte der Kommandant der Großen Escalianischen Kampfsäule. »Dieses Wort vermag wohl kaum zu beschreiben, was TANEDRARS Ankunft bedeutet.«
Saedelaere fiel auf, dass Carmydea, die von ihrem Bruder die meiste Zeit über konsequent ignoriert worden war, kurz davorstand, unaufgefordert das Wort zu ergreifen. Sie hielt sich wohl nur zurück, weil sie genau wusste, dass sie damit ihren Zwillingsbruder zu einer heftigen Reaktion verleiten würde.
Alaska schätzte Craton Yukk, den sie als ihren momentan wichtigsten Feind ansehen mussten, als hochintelligent, fähig und eiskalt ein. Er gab sich nonchalant, fast als stehe er über den Dingen, doch es steckte noch mehr hinter alldem. Es hing zweifellos mit der bevorstehenden Ankunft zusammen, aber das war noch nicht alles.
»Was wird geschehen, wenn die Ankunft stattfindet? Was bedeutet das für euch? Für die Splitter der Superintelligenz, die ihr bei euch tragt?«
Craton wischte mit der Kuppe des ausgestreckten Zeigefingers über die fettigen Reste des Gebäckstücks auf dem Teller. Dann hob er den Finger langsam zu den Lippen, teils, als wolle er das Fett schmecken, teils, als mache er die terranische Geste, die einen anderen aufforderte zu schweigen.
Es musste Zufall sein. Die Assoziation verwirrte Saedelaere dennoch. Es passte nicht zusammen, nicht in diese Umgebung, und ...
»Pssst!«, hörte er, eine Erinnerung an ewig vergangene Tage, als er noch ein Kind gewesen war, ehe der Transmitterunfall ihn entstellte. »Pssst! Ali, sag nichts, keiner darf wissen, dass wir hier sind.«
Die Erinnerung stach förmlich durch seinen Verstand und bohrte sich direkt in sein Herz. Ali. So hatte ihn in seinem ganzen Leben nur eine einzige Person genannt. Er hatte seit Ewigkeiten nicht mehr an sie gedacht. Sie waren damals erst vier Jahre alt gewesen, er hatte das alles längst vergessen.
Vergessen ...
»Craton!« Das war Carmydea. »Wohin bringst du uns für das Ritual von Ankunft und Aufbruch? Sag es!«
»Sei still, Schwester! Du hast hier nichts zu sagen! Du hast schon genug Schaden angerichtet.«
»Es gibt keinen Grund, dass du ...«
»Pssst!«
»... es uns verschweigst«, fuhr Carmydea fort. »Du wolltest mich, und du hast mich in deiner Gewalt, also lass ...«
»Pssst, Ali!« – »Ja, Nica, ich bin still. Bin ganz still.« – Die beiden Kinder versteckten sich in dem alten Schuppen. Es war eng dort und staubig, und irgendwo weit vorn huschte etwas durch die Dunkelheit, und dieses Etwas piepste. Das war garantiert eine Monpakmaus, dachte der kleine Alaska. Er fürchtete sich ein bisschen, aber das wollte er vor Nica nicht zugeben. »Gleich siehst du etwas«, kündigte das Mädchen an, »das du noch nie gesehen hast. Bestimmt vergisst du es nie.«
Aber er hatte es vergessen. Für weit mehr Zeit, als ein Menschenleben normalerweise währte. Nica war seit Jahrhunderten tot, von ihr war zweifellos nichts als Staub geblieben. Er selbst wäre ohne den Zellaktivator genau wie sie längst ebenfalls diesen Weg gegangen. Und weshalb hatte er ihn erhalten? Was zeichnete ihn derart aus, dass er ihn verdiente?
War es wirklich bloß das Cappinfragment?
Craton Yukk sagte etwas, aber die Worte rauschten an ihm vorüber. Er hörte sie wie das ferne, bedeutungslose Summen von Wind und Wellen.
Es konnte nicht sein!
Eine bloße Erinnerung konnte ihn nicht derart gefangen nehmen!
Sie krochen weiter, bis zu einem kleinen Loch, durch das Licht in ihr Versteck fiel. Es sah aus wie eine strahlende Scheibe. Staub tanzte darin. »Weißt du, es ist irgendwie eklig. Ich versuche zu verstehen, warum sie das machen. Es muss ihnen gefallen, glaube ich.«
»Aber was denn?«, flüsterte Alaska, der vierjährige Junge, ebenso leise wie seine kleine Freundin.
»Guck's dir doch einfach an.« Nica kroch durch die Lichtscheibe, blieb direkt dahinter sitzen und schaute durch das Loch, indem sie ihr rechtes Auge daran hielt. »Sie haben schon angefangen.«
»Alaska?«, fragte jemand.
Es war Gardeleutnant Pridon, auf dem Platz genau neben ihm.
Saedelaere antwortete nicht, denn ab diesem Moment verging in seinen Erinnerungen und auch in der Realität keine Zeit mehr. Er sah nicht mehr in seine Vergangenheit, sah nicht die schwitzenden Leiber von Nicas zwölf Jahre älterer Schwester und deren Freund, wie er sie damals gesehen hatte, sondern er blickte durch das Loch in der Wand des Schuppens direkt auf strahlendes, tanzendes Licht.
Die Helligkeit pulsierte im
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