PR 2642 – Der Maskenschöpfer
alle sichtbar. Dieser Begleiter wies ihn als zum Reich der Harmonie zugehörig aus. Ob er Saedelaere auch derart konditionierte, dass er Fremde nicht mehr leiden mochte? Und warum erhielt nicht jeder Escalianer einen solchen Begleiter?
Viele Fragen waren nach wie vor unbeantwortet ...
Eine geisterhafte Gestalt hob sich aus dem Nebel. Sie waberte formlos, wirbelte plötzlich ungestüm umher, schoss hoch zur Decke und blieb dort in einer dunklen Ecke kleben wie ein dicht gewebtes Spinnennetz.
»Du bist Fartokal Ladore?«, fragte Saedelaere.
Er erhielt keine Antwort. Doch das Gespinst sank ein wenig tiefer. Es umklammerte einen der beiden hölzernen, mit seltsamen Schnitzarbeiten bedachten Stützbalken, der als optische Trennung zwischen Vestibül und Hauptraum diente.
»Arden meinte, dass du mit mir reden würdest.«
Wiederum keine Antwort. Das Gespinst drehte und wendete sich, als versuchte es, eine besondere Gestalt anzunehmen.
Alaska Saedelaere wartete. Offenbar handelte es sich bei Fartokal Ladore um einen Bewusstseinssplitter der Superintelligenz, der unvermutet ausgespien worden war, eine Art Körperlichkeit erhalten hatte und nur wenig damit anzufangen wusste.
Ich habe schon seltsamere Dinge erlebt und ungewöhnlichere Geschöpfe kennengelernt. Auf einer Skala von eins bis zehn der fremdartigsten Begegnungen, die ich jemals erlebt habe, bekommst du bestenfalls eine Vier, Fartokal Ladore.
Das Gespensterwesen gewann allmählich an Substanz. Woher es diese bezog, blieb Saedelaere unklar, und es kümmerte ihn auch nicht sonderlich. Er mochte Logiker und Verfechter strenger Vernunft sein; doch sein Geist war oft genug an die Grenzen des Glaubhaften gestoßen. Er akzeptierte, was er sah, und versuchte keinesfalls, das »Dahinter« zu ergründen.
»Bin ... müde, so müde«, sagte das Geschöpf mit kaum verständlicher Stimme.
Es hatte ein Gesicht ausgeformt, mit offen stehendem Mund. Dahinter, im Inneren, zeigten sich Bänder und Streifen, die womöglich Muskeln darstellen sollten und sich beim Sprechen in die Länge zogen.
Er versucht, ein Gesicht zu rekonstruieren. Oder eine Maske. – Erinnert er sich etwa an seine frühere Existenz, an sein früheres Aussehen?
Das Etwas schwebte nun weit zu Saedelaere herab, bis es auf dessen Kopfhöhe anhielt. In gewisser Weise ähnelte es einer Tragödienmaske, wie sie in Schauspielen des antiken Griechenland gebräuchlich gewesen waren.
»Der letzte Auftritt«, sagte dieselbe Stimme wie zuvor, nun aber deutlich kräftiger.
»Die letzte Darstellung. Dann kommt Ruhe. Und Harmonie.«
»Ich verstehe dich nicht.« Saedelaere betrachtete fasziniert, wie sich die eben noch starre Maske zu einem Geflecht aus – scheinbarer – Haut und Muskeln wandelte. Es verlieh seinem Gegenüber eine ausgeprägte Physiognomie. Die eines nicht mehr ganz jungen, aber keinesfalls alten Humanoiden.
»Hör mir einfach zu. Das Verständnis wird sich einstellen. Wenn du verständig bist.«
Das Gespinst einer übermannsgroßen Maske sank tiefer wie ein Blatt, das vom Baum fiel. Es blieb auf einem gut gepolsterten Schemel liegen, der scheinbar unter der Last ächzte.
»Ich bin ... ich war Fartokal Ladore. Ich war ein Maskenschöpfer. Wohl der beste meiner Zeit.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Saedelaere.
»Mehr als zehntausend Jahre deiner Zeitrechnung, Mensch.« Das Gesicht grinste, das Lächeln wirkte traurig. »Bist du bereit für die Geschichte meines Lebens?«
»Ja.«
»Dann lass uns beginnen, bevor meine Erinnerungen vollends verblassen ...«
2.
Fartokal Ladore betrat sein Geschäft durch den gesicherten Verbindungstunnel. Die Messgeräte zeigten eine geringfügige Partikelverunreinigung in den Ladenräumen an, die er mithilfe der Dim-Filter problemlos in den Griff bekommen würde. Die Säuberung würde ihn weniger Zeit kosten als an den meisten anderen Tagen.
Fartokal ließ den Schutzanzug an, während er die notwendigen Handgriffe routiniert setzte. Er begann seine Arbeit, ohne zu jammern, ohne zu klagen.
Das Summen und Brummen der überall im Geschäft angebrachten Warngeräte versiegte allmählich. Er wusste ganz genau, wo er ansetzen und wie er vorgehen musste. Die gründliche Dekontaminierung der Räumlichkeiten, der Austausch der Pollenfilter in der Umwälzanlage und das Ausspritzen der Einrichtung mit dem Hochdruck-Dampfgerät waren Aufgaben, die ihm nicht einmal ein müdes Lächeln entlockten. Er kannte kein anderes Leben als dieses.
Besorgt blickte
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