Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse

Titel: PR 2645 – Die Stadt ohne Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
Vom Netzwerk:
stellen Geistern nach , durchfuhr es ihn.
    Das Fernenfenster schien vereist. Routh trat näher. Es war kein Eis. Das Fenster war von einer Patina überzogen, bleiern und grau.
    Die meisten Pfuhle lagen ausgetrocknet. Nur in einem der hinteren Becken trieb ein Chaom. Kabel und Schläuche verbanden seinen brüchigen Leib mit einer ganzen Staffel von Medomaschinen und verdeckten ihn so beinah.
    Mitten im Saal stand ein Somdoraner. Routh vermochte weder die Haltung des Somdoraners zu deuten noch den Ausdruck seines konkav gebogenen Gesichtes.
    »Ein Nuntius«, vermutete Routh.
    Die Hände des Nuntius umklammerten die Bügel seines Kontaktpultes. Routh fröstelte, als er sah, dass sich unzählige Parasiten in die Haut des Somdoraners gebohrt hatten.
    Mit dem Gesicht zum erblindeten Fernenfenster stand eine Gestalt, die Routh bekannt vorkam. Sie ähnelte einem Chaom, wirkte aber idealisiert, wie eine Nachahmung aus Aluminium: Aller Wesen Freund. Oder ein ihm gleicher Avatar.
    »Kannst du diese Erinnerung in Gang setzen?«, fragte Routh.
    Cranstoun lauschte in sich hinein. »Vielleicht. Es ist nicht leicht. Die alten Hirne, die Ahnen, hassen diese Erinnerung.«
    »Warum?«
    »Die Ahnen waren empört, als das erste Gehirn eines Frauenzimmers eingelagert wurde.«
    Routh fluchte kurz. »Mit solchen kulturellen Idiotien müssen wir uns nicht aufhalten. Setz die Erinnerung in Bewegung.«
    »Okay«, sagte Cranstoun.
    Routh betrachtete den Körper, der in seinen Schläuchen lag wie in einem Kokon. »Das ist also eine Frau?«
    »Nein«, sagte Cranstoun. »Das Frauenzimmer ist mit dem Rückenschild des männlichen Chaom verwachsen.«
    Routh entdeckte das Geschöpf. Es war nicht größer als zwei Fäuste und ragte nur wenig über den Schild hinaus. Gliedmaßen oder Sinnesorgane sah Routh nicht.
    Das Bild ruckte an, verharrte, ruckte wieder. Allmählich kam Bewegung ins Spiel.
    Die Stimme klang tatsächlich feminin, ein wenig rauchig, zu gleichen Teilen anschmiegsam und selbstbewusst. »Es ist eine Weile her, dass ein Avatar das Palais von Chapoch-Paio beehrt hat. Du bist Aller Wesen Freund?«
    »Alle meinesgleichen sind Aller Wesen Freund, Priorministerin Gmee«, sagte der Avatar amüsiert.
    »Du alterst nicht«, stellte Gmee fest.
    »Richtig«, sagte der Avatar.
    Der greise Leib, auf dem Gmee saß, schaukelte für einen Augenblick wie ein Schiff in der Dünung. Einige der Maschinen zischten. Dann lag der Leib wieder still. Gmee fragte: »In welcher Angelegenheit soll ich dir raten?«
    »Ich bin nicht hier, um mich beraten zu lassen.«
    »Kommst du, ihn zu heilen?«, fragte Gmee. Aus ihrer Stimme klang schierer Spott.
    »Der Leib deines Gatten ruht in der Obhut seiner Maschinen«, sagte der Avatar. »Wie ganz Khooch in der Obhut der großen Kultur der Chaom ingichiy chaodhas buchesgha ruht.«
    »Der Glanz des funkelnden Diadems der Schöpfung ist neuerdings ein wenig ermattet, wie dir nicht entgangen sein wird«, sagte Gmee spitz. »Und das Wort Ruhe beschönigt den Zustand, in dem der Leib meines Gatten schwebt.«
    Der Avatar schwieg.
    »Du willst keinen Rat. Du willst nicht heilen. Was willst du dann?«
    »Dies ist ein Abschied«, sagte Aller Wesen Freund. »Die Totenhirne werden Chaom fachis und die anderen planetaren Basen endgültig verlassen.«
    »Barmherzigkeit! Werden sie das?« Der Schrecken ließ die Stimme der Priorministerin geradezu kristallisieren.
    »Natürlich ersuchen wir um eure Erlaubnis«, sagte Aller Wesen Freund. Kalt und distanziert.
    »Wir werden sie euch nicht geben. Das wisst ihr. Wir würden es als schäbiges Desertieren auffassen.«
    Aller Wesen Freund fragte: »Liegen wir denn im Krieg?«
    »Wir haben keine Feinde mehr ...«, sagte Gmee.
    Der Avatar machte eine zustimmende Geste.
    »... bis auf den Tod. Und wenn die Totenhirne gehen, werden wir ... werden unendlich viele Chaom einen endgültigen Tod sterben, verlassen von der Möglichkeit, in die neuronalen Sedimente einzugehen.«
    Der Avatar stand eine Weile in sich versunken. Schließlich sagte er: »Es werden nicht alle Totenhirne gehen. Einige junge, eben eröffnete Sedimente werden bleiben und bis auf Weiteres eure Auffangbecken sein. Gehen werden diejenigen, deren Sediment eine kritische Masse erreicht hat.«
    »Das ist neu«, sagte Gmee. »Von einer kritischen Masse habe ich nie gehört. Was mag geschehen, wenn im zerebralen Sediment eines Totenhirns diese kritische Masse überschritten wird. Kommt es zu einer mentalen Explosion? Zu einer

Weitere Kostenlose Bücher