Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2668 – Neuntau

PR 2668 – Neuntau

Titel: PR 2668 – Neuntau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
Vom Netzwerk:
Zwergandroide.
     
    *
     
    Der Zwergandroide war offensichtlich uralt, er schien schon halb zerfallen zu sein. Quer durch das Gesicht zog sich ein Riss, in Höhe der rechten Wange war die Haut so durchscheinend, dass man den darunterliegenden Kiefer und die obere Zahnreihe erahnen konnte.
    Um den dürren Körper hingen mehrere Lagen Kleidung, unordentlich gerafft wie eine Art Toga. Er hielt den linken Arm vor dem Brustkorb, die offene Handfläche streckte sich ihnen entgegen.
    »Hört ihr, Besucher? Dort kommt niemand hinein.«
    Saedelaere traute seinen Augen kaum. Er hatte nicht damit gerechnet, in der Stadt auf irgendjemanden zu treffen – aber ausgerechnet einen Zwergandroiden? Das war unfassbar! Außerhalb der LEUCHTKRAFT waren sie seines Wissens nie in Erscheinung getreten. Eroin Blitzer war der Erste, der die kobaltblaue Walze der Frau Samburi jemals für längere Zeit verlassen hatte.
    »Hast du es versucht?«, fragte er den seltsamen Neuankömmling.
    Blitzer schwieg. Er wich sogar einen Schritt zurück, als wolle er Saedelaere als Deckung zwischen sich und dem Unbekannten wissen. Offenbar war ihm die Begegnung unangenehm.
    »Niemand kommt in den Turm«, antwortete der fremde Zwergandroide. »Er ist unzugänglich verschlossen.«
    »Aber wenn man diesen Planeten aufgegeben hat, und danach sieht es ganz offensichtlich aus, warum ist der Zugang zum Turm trotzdem immer noch versperrt?« Alaska Saedelaere deutete auf die Tür. »Es ist doch so, oder? Genau wie die übrigen Baustellenwelten hat Sholoubwa diese Welt hinter sich gelassen?«
    Er sprach den Namen ganz bewusst aus, um die Reaktion des kleinen Fremden auszutesten. Doch in dem gelblichen Gesicht mit den großen Kinderaugen rührte sich nichts.
    »Du kennst den Konstrukteur?«, fragte Saedelaere.
    Der andere kam näher, mit langsamen, schwankenden Schritten, als müsse er seine letzte Kraft zusammennehmen, um die Strecke zurückzulegen. »So viele Fragen? Ich stelle mir auch welche. Wer seid ihr? Was sucht ihr hier?« Nun streckte er die Hand aus, wies mit leicht zitternden Fingern auf Eroin Blitzer. »Und wie kommst du hierher? Du bist ... wie ich.«
    Weil Blitzer noch immer schwieg, übernahm Saedelaere die Antwort. Er stellte sich vor, nannte aber wohlweislich nicht den Namen seines Begleiters.
    Nun erst wurde ihm die ganze Tragweite dieser Begegnung bewusst. Hatte es überhaupt jemals Zwergandroiden außerhalb der LEUCHTKRAFT gegeben? Und wenn nicht, bedeutete dies, dass der Fremde einst ebenfalls von diesem Kosmokratenschiff gekommen war? Kannte Blitzer ihn womöglich sogar? Erklärte das seine eigenartige Zurückhaltung?
    »Ich heiße Nikomus Neuntau«, sagte der Zwergandroide. Es kostete ihn sichtlich Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. »Und ich hätte nicht gedacht, noch einmal einem Lebewesen gegenüberzutreten.«
    »Du bist allein auf diesem Planeten?«
    »Selbstverständlich. Hast du nicht vorhin selbst gesagt, dass Sholoubwa ihn aufgegeben hat? Sholoukanora steht leer und zerfällt.«
    Sholoukanora. Das passte exakt ins Bild, das Saedelaere bislang von dem Konstrukteur gewonnen hatte: in extremem Maß von sich überzeugt und eingenommen. So sehr, dass er alles nach sich benannte. »Ist dies der Name der Stadt? Oder dieser ganzen Welt?«
    »Wo liegt der Unterschied?« Neuntau klang verwirrt. »Ich wüsste nicht, dass es irgendeine Bedeutung hat, was genau man damit bezeichnet.« Er drehte sich zur Seite, ging einige Schritte an Saedelaere vorbei, um ungehindert auf Eroin Blitzer sehen zu können. »Noch einmal – wer bist du?«
    »Eroin Blitzer. Ich gehöre zum Raumschiff LEUCHTKRAFT.«
    Neuntau ließ mit keinem Wort erkennen, ob er mit dieser Bezeichnung etwas anfangen konnte. Seine übergroßen Kinderaugen starrten den Zwergandroiden an. Er stand gekrümmt, leicht nach vorne gebeugt und hielt den Kopf gesenkt.
    Fehlt nur noch, dachte Saedelaere, dass er sich auf einen Stock stützt, um einen letzten Rest von Haltung zu bewahren.
    »Ich bin schon lange hier, Bruder«, sagte Nikomus Neuntau, der offenbar weit leichter Vertrauen fasste als Blitzer. »Vor Jahrtausenden gehörte ich zu Sholoubwas Konstruktionsmannschaft. Jetzt sind alle weg.«
    »Nur du nicht?«, fragte der Terraner. »Weshalb?«
    »Ich ... Wurde ich vergessen?« Neuntau klang, als zweifle er selbst daran oder als versuche er sich davon zu überzeugen, dass es nicht so gewesen sein konnte. »Ich habe mir diese Frage wohl zehntausendmal gestellt. Und genau 348 verschiedene

Weitere Kostenlose Bücher