PR 2672 – Kosmische Agonie
seit fast einem Tag nicht mehr in seinem Unterschlupf gewesen war.
Entgegen dem, was der Name suggerierte, ragte der TLD-Tower mitnichten hoch über der Stadt auf. Wäre es so gewesen, hätte es sicher unzählige Möglichkeiten gegeben, etwas über das herauszufinden, was im Inneren vor sich ging.
Doch der Tower war das genaue Gegenteil: ein 2,1 Kilometer in die Tiefe reichender Schacht mit einem Durchmesser zwischen zwei Kilometern nahe der Oberfläche und anderthalb Kilometern am Grund. Über hundert völlig von der Außenwelt abgeschottete Stockwerke lagen darin eingebettet. Die einzige Zugangsschleuse lag inmitten eines ausgedehnten Parks und war mit modernsten Abwehreinrichtungen gesichert. Selbst bei deren Ausfall konnte das Hauptquartier des Liga-Dienstes mit wenigen Leuten problemlos lange gegen eine große Übermacht gehalten werden.
Der TLD-Tower war eine Festung.
»Ich werde einen Planungsstab zusammenrufen und ihm Zugriff auf nahezu alle Ressourcen der Raumlandetruppen einräumen«, sagte Vashari Ollaron. »Sie sollten die Situation so rasch in den Griff bekommen, wie es angesichts der Umstände überhaupt möglich ist.«
»Ich schlage außerdem Shanda Sarmotte für den Einsatz vor«, sagte Bull. »Ihre Fertigkeiten als Informationsextraktorin könnten hilfreich sein. Vielleicht kann sie mit ihrer Gabe an jemanden im Inneren herankommen und so herausfinden, was da los ist.«
Vashari Ollaron nickte. »Ich wollte ohnehin das Terranische Institut für Paranormale Individuen kontaktieren und sehen, wer bereit wäre, zu helfen. Shanda wäre auf jeden Fall sehr willkommen.«
»Weitere Vorschläge oder Einwände? Keine? Gut«, schloss Henrike Ybarri das Thema. »Kommen wir zum nächsten Punkt: der Umbrische Rat. Er ist zurzeit in Räumen hier in der Solaren Residenz interniert. Ich denke, das sollten wir vorerst beibehalten.«
Xena Harpoon hob die Hand. »Mir liegen Empfehlungen vor, nach denen alle Neuformatierten zu ihren Familien zurückkehren sollten«, sagte die Residenz-Ministerin für Gesundheit. »Die Neurowissenschaftler haben zwar bislang keinen Ansatz für die Umkehrung der neuronalen Veränderungen an den Jugendlichen gefunden, empfehlen aber, die Betroffenen in vertraute Umgebungen zu bringen. Dort ist die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass sie selbst den Heilungsprozess beginnen.«
»Im Falle des Umbrischen Rates sind andere Erwägungen wichtiger«, widersprach Henrike Ybarri. »Sie waren die von den Sayporanern designierte Erdregierung. Als Sayterraner, wie sie sich nennen, sind sie unser Bindeglied zu diesem Universum. Und als solches brauchen wir sie in unserer Nähe, zumindest bis klarer ist, wie es weitergeht. Ihre Familien dürfen sie aber jederzeit hier besuchen, und sie werden neuromedizinisch und psychologisch ebenso betreut wie die anderen.«
Reginald Bull bewunderte innerlich die sachliche Art, mit der die Erste Terranerin die Frage der Neuformatierten behandelte. Sie selbst hatte ihre Tochter an die Sayporaner verloren. Ironischerweise war ausgerechnet Anicee Ybarri Sprecherin des Umbrischen Rates geworden. Statt der Mutter hatte die Tochter regieren sollen – als hätten die Sayporaner geglaubt, mit einer Art dynastischer Nachfolge den Widerstand reduzieren zu können.
»Es gibt ohnehin Zweifel, wie weit wir mit unseren Mitteln in dieser Sache kommen können«, stellte Bull fest. »Chourtaird klingt sehr überzeugt, wenn er sagt, dass wir die Neuformatierung nicht umkehren können. Er ist nicht einmal sicher, ob die Sayporaner selbst dazu in der Lage sind. Ich habe ihn dazu überredet, Oachono zu begleiten. Möglicherweise kann ich ihn dazu bringen, mit den anderen Chour darüber zu reden, wie die Formatierung umgekehrt werden kann.«
»Wie lange soll es so bleiben?«, hakte Harpoon nach. »Wie lange wollen wir diese Kinder gefangen halten?«
Ybarri schüttelte den Kopf mit einem Lächeln, das nicht ihre Augen erreichte. »Lass sie das besser nicht hören. Sie sehen sich nicht als Kinder, sondern als vollwertige Vertreter einer neuen, besseren Menschheit. Ich bin nicht einmal sicher, wie sie ...«
»Erste Terranerin, ich bitte ums Wort.«
Verwundert sahen die Regierungsmitglieder zu dem neuesten Mitglied ihrer Runde. Emilia Valskin, die den ermordeten Urs von Strattowitz als Staatssekretärin ersetzte, war aufgestanden. Die 132 Jahre alte Frau hielt ihre 1,60 Meter Körpergröße kerzengerade. Der Blick der goldbraunen Augen im gebräunten Gesicht haftete auf der
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