PR 2675 – Der Glanz der Stille
wollte er sich von allen Seiten zeigen. Die Flügel der beiden winzigen Tiere schlugen so rasch wie bei Kolibris.
»Scharfstellen!«, befahl Sarmotte. Das Visier fokussierte auf den Panfaktor. Sarmotte entdeckte die ersten Einschlüsse. Schon auf den ersten Blick erkannte sie, dass es unzählige sein mussten, und sie spürte die unwirkliche Tiefe des Innenraums. Das Zehren.
»Ausblenden!«, befahl sie.
Das Visier legte einen blinden Fleck über den Faden.
Sie spürte Toufecs Blick und versuchte, sich zu erklären: »Von dem Faden geht etwas wie eine mentale Gravitation aus. Spürst du es nicht?«
»Doch«, hörte sie Toufec nach einer Weile sagen. »Ruda. Ich ...«
Aus der Flasche an seinem Gürtel schoss eine dünne Nanogenten-Faser und bildete eine tiefschwarze Brille vor seinen Augen.
»Ho und ho!«, rief Kioresbol. »Und abermals ho!« Seine Erregung übertrug sich nahtlos auf Vyghodh, deren Haut im Licht der Fackeln geradezu von Farbschauern überflutet wurde. Die Sayporanerin drängte sich näher an den Felsen. »Noch ein Panfaktor. Und noch einer!«
»Oh ja«. Kioresbols Stimme klang feierlich. »Wir haben eine Traube gefunden.«
*
»Als eine Traube«, erklärte Sarmotte Choursterc und Aes Qimae, »bezeichnen die Fadenfinder eine Konzentration von Panfaktoren. Offenbar erscheinen diese Fäden einzeln und unvorhersehbar, irgendwo in den unteren Schichten der Atmosphäre. Die Luftschiffer sollen einzelne Panfaktoren in einer Höhe von etwa 4600 Metern entdeckt haben; darüber nichts mehr.«
»Die höchsten Berge des Planeten erreichen laut SERUN 4100 Meter«, warf Toufec ein. »Falls das etwas zu bedeuten hat.«
»Wie auch immer«, sagte Sarmotte. »Die Fäden sinken, meist sehr langsam, manchmal schneller, Richtung Boden. Selten stehen sie bewegungslos in der Luft. Sie können sich sogar waagerecht bewegen, mit der Strömung der Luft, aber auch gegen sie; manche drehen sich um sich selbst. Aber noch kein Zopai hat beobachtet, dass sie steigen.«
»Und sie sinken schließlich offenbar in den Boden ein«, griff Toufec vor.
»Sie sinken ein, aber niemand weiß, wie tief. Die Fadenfinder schürfen sie bis in eine Tiefe von fast dreihundert Metern aus dem Felsen. Das schließt nicht aus, dass einige von ihnen noch tiefer in die Planetenkruste eintauchen. Vielleicht bis zum Kern.«
»Gut«, sagte Toufec. »Dann müssen wir nur noch den Planeten sprengen und aus den Überbleibseln die Fäden filtern.«
Sarmotte verdrehte die Augen.
»Das ist immerhin eine Option«, überlegte Choursterc.
»Wie evakuieren wir in diesem Fall die Zopai?«, fragte Sarmotte. »Oder nehmen wir den Totalverlust der Bevölkerung als Nebeneffekt in Kauf?«
»Eine Evakuierung wäre nur eine Frage der Logistik«, sagte Choursterc. »Und für die Akademie für Logistik ein minderes Problem.«
»Verfügt Paichander auch über die Mittel, Planeten zu sprengen?«, fragte Sarmotte.
»Die Akademie besitzt diese Mittel allerdings«, bestätigte Choursterc.
Sarmotte ersparte sich die Frage, ob es in der Akademie Kräfte gab, die Paichander am Einsatz dieser Mittel hindern wollten oder könnten. Schlimm genug, dass sich der greise Sayporaner mit seinem Uteral wieder vor ihr inneres Auge schob. Sie stellte sich vor, wie der Dekan die Weltuntergangsmaschine von seinem makabren Thron aus kommandierte.
»Das ist natürlich alles Unsinn«, sagte Sarmotte. »Wir müssen einen anderen Weg finden.«
»Die Vavas?«, fragte Toufec und grinste. Vavas – so hatte Vyghodh die winzigen, geflügelten Wesen genannt, die den Fadenfindern beim Aufspüren der Panfaktoren halfen.
Toufec spreizte die Arme und winkte mit beiden Händen imaginäre Schwärme zu sich heran. »Herbei, herbei!«, rief er und setzte ein enttäuschtes Gesicht auf.
»Du siehst aus wie Schlottermannn«, sagte sie.
Er hob fragend die Brauen.
»Eine Vogelscheuche.«
»Schlottermannn«, wiederholte Toufec. »Ein alter Freund von dir?«
Sie winkte ab.
*
Sie hatten versucht, sich einen Überblick über die Menge an Panfaktoren zu verschaffen, die in diesem Lager gehortet waren. Sarmotte und Toufec schätzten ihre Anzahl auf acht- oder neunhundert Exemplare, möglicherweise tausend.
Das war viel, aber weit davon entfernt, einen nennenswerten Bruchteil des Korpus zu bilden.
Sie entschieden sich, nicht im Lager zu übernachten. Sarmotte hatte einige telepathische Erkundigungen eingezogen. Gegen Abend, wenn die Fadenfinder ihre Arbeit in den Minen einstellten,
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