PR 2675 – Der Glanz der Stille
dunkle Gong der Sorge, der immerzu in ihrer beider Seele schlug. Sorge um sie, Shanda.
Was für ein schönes Paar. Die Scheuche und das sprachlose Kind.
Shanda Sarmotte schlenderte zu dem Sayporaner hinüber. Sie stellte sich neben ihn und betrachtete die Szenerie des Abends. Aus dem Lager der Fadenfinder klang der von der Ferne gedämpfte Kampflärm der Orlogpartner. Die meisten Maschinen bei den Fördertürmen standen noch unter Dampf. Das breite, blassgrüne Gestade des Flusses. An seinem jenseitigen Ufer erhoben sich unübersehbar viele Windmühlen.
Die Windmühlenstadt. Was wurde dort gemahlen? Sie hielt ihre Gedanken im Zaum. Sie wollte es nicht wissen. Ein Dampfschiff kämpfte sich flussaufwärts, das Wasser schimmerte wie poliertes Messing. Wer dort reiste und wohin? Sie wollte es nicht wissen.
Ein Segelflugzeug drehte letzte Kreise. So schön. Sie schauderte. Das Paradies als Ort der Gefangenschaft. »Eine Welt wie gemalt«, flüsterte sie.
»Von einem hoffnungslosen Maler«, sagte Choursterc. Die Stimme knisterte vor Alter.
»Findest du?« Sarmotte war überrascht. »Was stimmt nicht?« Denn dass etwas mit dieser Idylle nicht stimmte, war ja auch ihr Gefühl.
»Die Stille«, bemerkte Choursterc.
»Manchmal kann ich gut mit der Stille leben.«
»Es geht nicht um dich.«
Sarmotte hob die Augenbrauen. »Natürlich nicht«, sagte sie kalt. Es war ein Fehler gewesen, sich Choursterc zu nähern.
Der Sayporaner wandte mühselig den Kopf und schaute zu ihr auf. »Ich wollte dich nicht tadeln«, sagte er. »Ich meinte die Stille. Sie gilt nicht dir oder mir oder irgendwem Außenstehenden. Sie gilt nur sich. Sie glänzt.«
»Ich verstehe nicht«, gestand Sarmotte. Sie ging neben dem Stein, auf dem der Sayporaner saß, in die Hocke.
»Ich fürchte den Glanz der Stille.« Choursterc atmete tief aus und schloss die Augen. Das Reden strengte ihn an.
Sarmotte schaute ins Land. Die Flügel an den Windmühlen drehten sich gemächlich; aus den Schornsteinen des Schiffes stieg Dampf und verharrte in der Luft wie eine Geheimschrift.
»Mein Wirt ist müde«, sagte die Achiary-Stimme.
Sarmotte nickte. »Wie alt ist er?«
»Alt«, sagte Achiary. »Weit über tausend Jahre. Fast zweitausend.«
Sie nickte wieder und sah dem Segelflieger zu. Ein menschliches Gehirn. Transplantiert in einen fast zweitausend Jahre alten Schädel. Erbarmungswürdig. »Und? Ist es das? Ist es das, was du gewollt hast?«
Der Sayporaner lachte. Es klang, als würde jemand ein welkes Blatt zwischen den Fingern zerbröseln. »Wer von uns hätte das gewollt? Aber es war eine Chance. Meine letzte. Weißt du: Ganz am Ende lösen sich alle Ideale auf. Man will nur noch leben.«
»Jetzt lebst du also. Wie in einem Sarkophag. Mumifiziert.«
Der Sayporaner öffnete die Augen. »Tja«, sagte Achiary heiter. »Verzeih, dass ich dich vor der Operation nicht um Rat gefragt habe. Was Todesangst angeht und ihre Bewältigung, bist du sicher eine Koryphäe.«
Nach einer Weile sagte sie: »Entschuldige. Ich habe keine Ahnung, wie du dich fühlst.«
»Das weißt du nicht? Kramst du nicht bei jeder Gelegenheit in meinen – und in Chourstercs Gedanken herum?«
Sie lachte leise. »Wir Gedankenkrämer. Nein. Nicht bei jeder Gelegenheit. Die meiste Zeit über schmarotze ich natürlich telepathisch. Aber manchmal mache ich mir auch ganz traditionell meine eigenen Gedanken.«
Für eine Weile sah es so aus, als hielte der Segelflieger auf sie zu. Dann drehte er ab ins Unbestimmte der Dämmerung.
»Du musst mich nicht mögen«, ertönte die Achiary-Stimme. »Und du musst das, was ich tue, auch nicht billigen.«
»Danke!«
Das Dampfschiff verschwand hinter einem Berg an einer Biegung.
Die Windmühlen drehten sich langsamer.
Der Segelflieger verlor an Höhe. Schließlich setzte er sacht auf und rollte holpernd aus.
Achiary sagte wie zu sich selbst: »Du hältst mich für ein Monster?«
»Fragt das Monster das Monster.«
»Du?«
»Wenn ich schön wäre«, überlegte Sarmotte, »oder ganz und gar hässlich, würde man mir vielleicht verzeihen. Schöne Menschen haben immer Alliierte. Aber so? Ich bin keine Schönheit. Nur eine Mutantin.«
»Hm«, machte die Achiary-Stimme. »Waren die Mutanten nicht immer die Helden der Menschheit?«
Sarmotte lachte. »Und wie.«
Choursterc streckte beide Hände aus und betrachtete sie. »Manches an ihnen finde ich auf gewisse Weise schön.«
»Manches an den Händen?«
»Manches an den Sayporanern. Ihre Haut wie
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