PR 2675 – Der Glanz der Stille
aus Perlmutt. Ihr unglaublich feines Gehör.«
»Ja«, sagte Sarmotte. »Warum sollen sie auch nicht schön sein? Auf gewisse Weise.«
»Ich weiß nicht, was aus mir wird«, gab Achiary zu. »Manchmal ist sein Bewusstsein so überwältigend. Ich kriege Angst, dass ich in seinen Erinnerungen untergehe. Förmlich ertrinke. Und ich habe keinen eigenen Mund mehr, um nach Luft zu schnappen. Dann wieder gehören seine Lippen mir.« Er presste die Lippen aufeinander und öffnete sie mit einem Plopp.
»Großartig.«
»Ich könnte dich küssen.« Er sah sie fragend an. »Hm? Um der Wissenschaft willen?«
Sie musste lachen und winkte ab. »Ach. Die Wissenschaft.«
Er sagte: »Dabei weiß ich nicht einmal, ob ich noch ich bin. Vielleicht bin ich schon er, oder ich bin zwar ich, aber nur so, wie er sich mich denkt. Verstehst du?«
»Vollkommen.«
Sie mussten beide lachen, dann schwiegen sie eine Weile. Es war rasch dunkler geworden. Über den Himmel zogen einige hundert Lichtpunkte, kreuz und quer.
»Die Raumstationen«, sagte sie.
»Weißt du, was die Sayporaner den Glanz der Stille nennen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Die Achiary-Stimme sagte mit dem uralten Mund: »Wenn ein Sayporaner stirbt, erlischt das Irisieren auf seiner Haut. Dann ist sie nur noch weiß und glänzt. Das heißt: Der Glanz der Stille ...«
»... ist der Tod«, ergänzte Sarmotte.
Sie schaute in die Ebene. In den Mühlen und in der Siedlung der Fadenfinder waren Lichter zu sehen, gelb und warm und ein wenig unstet, als ob dort Gaslaternen leuchteten oder Kerzen in den Fenstern.
Choursterc sagte kaum hörbar: »Der Glanz der Stille liegt auf diesem Land.«
Der Satz klang so alt. Shanda Sarmotte spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten.
Die Achiary-Stimme fragte: »Unser Mündel schläft?«
Sarmotte ersperte kurz nach der Zopai. »Sie schläft.«
»Mit wäre wohler, wenn Aes Qimae zurück wäre. Und Toufec auch.«
Sarmotte nickte. »Mir auch.«
Sie lehnte ihren Kopf an Chourstercs Hüfte. Kurz darauf spürte sie seinen Arm an ihrer Schulter. Schlottermanns Schatten, dachte sie.
Die Lichter der Mühlenstadt spiegelten sich im Fluss.
Sie warteten.
8.
Nachricht von Binc
Toufec hatte sich von Pazuzu ein Zelt bauen lassen und schlief tief und hörbar. Auch Aes Qimae war zurück, in seinem Armbündel allerlei Kräuter, Borkenbrocken und lanzettförmige Blätter.
Sarmotte hatte sich in der Barkasse schlafen gelegt, ebenso Choursterc. Sarmotte hatte ihren SERUN neben Pauthofamy abgelegt und dem Anzug aufgetragen, über die Zopai zu wachen.
Ein leiser Gong ertönte. Sarmotte brauchte einen Augenblick, um ihn der Wirklichkeit zuzuordnen.
Als sie sich aufgerichtet hatte, saß Choursterc bereits an den Armaturen des Schiffes. Er sagte: »Ich höre dich.«
Wen hört er? Paichander?
Sarmotte trat hinter den Sayporaner.
Der Holoprojektor warf das Bild der Zofe ins Cockpit der Barkasse. Binc sagte: »Es ist mir gelungen, in das Positronenhirn der Raumstation einzudringen.«
»Gut«, sagte Choursterc mit seiner Achiary-Stimme. »Mit welchem Ergebnis?«
»Ich habe niemals einen Datenhort gesehen, der so zerrüttet gewesen wäre«, antwortete die Zofe.
»Bedauerlich«, sagte Choursterc. »Gibt es wenigstens ein Aber?«
»Aber es ist mir gelungen, einige Daten zumindest fragmentarisch zu rekonstruieren.«
»Wie fragmentarisch?«
»Einzelne Worte. Die meisten sind belanglos. Grammatische Partikel; Koordinaten, deren Bezugsrahmen fehlt. Temporale und quasitemporale Postpositionen. Das einzige Bruchstück, das sinnvoll klingt, ist der Anfang eines Satzes: Die oder eine Belagerung der Sternenlande von oder in der Verantwortung von Chössemai wird ...«
Chössemai! Sarmotte stellte sich neben Choursterc. »Wird was?«
»Der Satz endet hier«, erklärte Binc.
»Danke!«, sagte Choursterc. »Was werden eure nächsten Schritte sein?«
»Kein eure mehr. Ich bin allein«, sagte Binc.
»Wo ist Oburs?«
»Er ist gegangen. Auch ich werde den Dienst nunmehr quittieren.«
Choursterc stieß einen leise krächzenden Laut aus, den Sarmotte nicht deuten konnte.
»Warum gerade hier?«, fragte er die Zofe.
»Ich sehe kein gerade hier«, antwortete die Zofe. »Ich sehe das Maß erfüllt und die Neige der Zeit offen. Ich habe alle Ähnlichkeit aufgebraucht.«
Noch einmal stieß der Sayporaner sein Krächzen aus.
»Habt ihr Besatzungsmitglieder getroffen?«, warf Sarmotte ein. »Seid ihr auf fadenförmige Objekte gestoßen? Gefüllt mit
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