PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo
Versuchsanordnung dient ja auch dem Zweck, herauszufinden, ob und wie sich die aufgenommenen Bewusstseine miteinander verschmelzen lassen.«
»Und?«
»Wir gingen davon aus, dass die Geistesinhalte einander anziehen und ineinander übergehen würden. Doch es läuft leider nicht so wie erwartet. Du musst uns verstehen, Herr: Diese Vorgänge entziehen sich weitgehend unserem Verständnis. Wir konnten im Vorfeld bloß Vermutungen anstellen – und diese, die wahrscheinlichste, war offenkundig falsch.«
»Hör endlich mit dem Geschwafel auf und sag, warum du mich kontaktiert hast!« Gedankenblasen kribbelten unangenehm in seinem Schaumhaar. Sie wollten sich lösen, blieben aber kleben.
»Allem Anschein nach geht es bei den Bewusstseinsinhalten auch um Masse. Es wird eine bestimmte Menge von ihnen benötigt, um sie zünden und in ein Geisteswesen überführen zu können.«
»Wie groß muss diese Masse sein?«
»Nun, es besteht theoretisch noch immer eine gewisse Chance, dass die kritische Masse noch während der Aberntung der Axmener erreicht wird ...«
»Wie groß?«, fragte Fogga ein weiteres Mal, laut und drängend, sodass das Licht an den Tastfühlern des Marestobaren beinahe erlosch.
»Mindestens das Dreifache«, sagte er und krümmte seinen Leib wie unter Schmerzen zusammen.
*
Es war ein Rückschlag, den Tion Youlder nur schwer verkraftete. Er schleuste die Hochsicherheitstonne an Bord seines Kommandoschiffes ein und verschwand, ohne weitere Befehle oder zumindest eine Nachricht zu hinterlassen.
»Er wird uns beiden die Schuld geben«, lamentierte Wörgut Gooswart. »Und da ich mich für dich verbürgt habe, wird letztlich alles an mir hängen bleiben.«
»Der Oberste Herr mag schwach und müde geworden sein. Aber er ist kein Idiot. Er wird meine Angaben überprüfen und feststellen, dass mich keine Schuld trifft. Diese Wendung war nicht vorhersehbar.«
»Was nichts an der Sache selbst ändert. Unsere Position hat sich verschlechtert, die des Obersten Herrn auch. Cofirazi Marturia wird von der Sache Wind bekommen, und er wird wieder Stimmung gegen uns machen.«
»Er hat nichts in der Hand. Axmene wird nach der Entleibung vernichtet, die daran beteiligten Soldaten und Wissenschaftler vorerst isoliert. Wir müssen weiter Stimmung machen. Tion Youlder wird gut beraten sein, die Propaganda-Maschinerie anzuwerfen.«
Fogga musterte den Kriegsminister. Sein Halter wirkte ratlos. »Du solltest diese Dinge mit ihm besprechen. Selbst wenn er dir nicht restlos vertraut, sitzt ihr doch in einem Boot. Mach ihm deutlich, dass die Oraccameo zumindest einen Teil der Wahrheit über die Kollektoren erfahren sollten. Kein Wort über die Geschehnisse auf Tairmino und Axmene – aber redet über die Möglichkeit der Bewusstseinsverschmelzung. Sprecht über Machtzuwachs, über Unendlichkeit, über Unsterblichkeit.«
»Bislang haben wir bestritten, dass wir an einem derartigen Projekt arbeiten – und jetzt sollen wir alles zugeben?«
»Muss ich dir denn das Propaganda-Geschäft erklären, Halter? Es kommt nicht darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt. Die Oraccameo werden euch eine Lüge verzeihen, wenn ihr sie zwischen Schlagworten wie Heimatliebe, Patriotismus und Führungsanspruch versteckt und zugleich ein Feindbild pflegt.
Sprich über die Kuippri. Mach sie in deinen Berichten stärker, als sie eigentlich sind. Schür Ängste und mach deine Leute glauben, dass das Zusammenfinden in einem Geisteskollektiv eine der Möglichkeiten sein könnte, den Feind zu besiegen. Sie werden euch glauben, weil sie glauben wollen! Egal, was Marturia unternimmt – du und Youlder seid die Heroen zweier Generationen, auf euch hört man.«
Wörgut Gooswart verstärkte die Windzufuhr mit einem Schwenk seiner Hand. Heiße Luft fauchte über sie hinweg und ließ weitere Gedankenblasen über Foggas Kopf zerplatzen.
Kleine Ideen, fein ziselierte Miniaturen, die er eben erst erdacht hatte, verschwanden aus seiner Erinnerung und würden niemals wiederkommen. Am liebsten hätte er den Kriegsminister dafür zur Rechenschaft gezogen.
Noch ist es nicht so weit. Aber der Tag wird kommen ...
»Ich lasse mir das durch den Kopf gehen«, sagte Wörgut Gooswart. »Aber du musst mir helfen, die richtigen Worte für den Obersten Herrn zu finden. Allein schaffe ich es nicht.«
Die Oraccameo sahen sich als die Herren einer ganzen Galaxis – und sie waren doch nur Wachs in seinen Händen. Ein ganz besonderes Gefühl der Wärme machte
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