PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo
sich in ihm breit.
*
Das politische Gefüge im ständig wachsenden Reich der Oraccameo war kompliziert. Es wurde nicht nur durch den Obersten Herrn und seine mehr als dreißig Minister, sondern auch durch Chargen in den unteren Ebenen definiert. Ebenso in den Tausenden planetaren Verwaltungen.
Betrug, Verrat, Ränkespiele und Intrigen waren allerorts an der Tagesordnung. Wer ganz nach oben wollte, musste diese Spielchen mitmachen, ob er nun wollte oder nicht. Foggas Halter hatte sich im Laufe der Jahrzehnte als Meister seines Metiers erwiesen, nur noch übertroffen vom Obersten Herrn.
Der Kriegsminister hatte sich im Gegensatz zu vielen Kollegen und Untergebenen niemals nur auf das Betreiben sinistrer Machenschaften verlassen. Er war ein exzellenter Stratege und ein Handwerker des Kriegs. Er galt als hart, aber gerecht, und er hielt die Truppenverluste geringer als alle seine Vorgänger. Seine Leute vertrauten ihm, sie gingen für ihn durch jeden Sturm.
Als Wörgut Gooswart die von Fogga vorbereitete Rede im Rat von Ora hielt, sorgte er für Empörung bei Cofirazi Marturias Gesinnungsgenossen im Plenum – und für Begeisterung bei einigen tausend zugestöpselten Oraccameo, den Entscheidungsträgern auf höherer Verwaltungsebene. Bei jenen Leuten, die irgendwo im kuppelförmigen Ratsgebäude versammelt waren und den Worten der Minister lauschten.
Das gewöhnliche Volk war von diesen entscheidenden Gesprächen selbstverständlich ausgenommen. Es wurde mit den Tatsachen konfrontiert, und es hatte sich zu fügen.
Maran Dana Fogga nahm dies alles zufrieden zur Kenntnis. Er hatte gewusst, wie es kommen würde. Dieses Kapitel seines Lebensplans folgte den klassischen Leitlinien einer gelungenen Erzählung. Die Helden, also Gooswart und er, überwanden alle Widerstände vor dem schicksalhaften Aufbruch ins Unbekannte. Sie würden unzählige leidvolle Erfahrungen durchmachen, unterstützt vom greisenhaften Mentor Tion Youlder. Sie würden letztlich alle Hindernisse überwinden und ihr Ziel erreichen.
Dann: Vorhang und frenetischer Applaus.
Fogga entließ einige fröhliche Gedankenblasen, nachdem sein Halter die Rede beendet hatte und die Mehrzahl der anwesenden Räte Hochrufe ausstieß, angefacht von bestochenen Claqueuren im Rat.
Nur wenige Minister blieben still.
Die Sache war gewonnen, Cofirazi Marturia einmal mehr in seine Schranken verwiesen. Dieses Mal hatte er eine Niederlage einstecken müssen. Doch er würde es wieder versuchen, keine Frage.
Wenn man ihn nicht endgültig daran hinderte.
Fogga blubberte fröhlich vor sich hin. Es gab Schauspiele, Stücke und Bücher, die zum Ende ihrer Geschichte eine besondere Erhöhung fanden. Meisterwerke, die unerwartete Wendungen zeigten. Die so groß waren, dass selbst der aufmerksamste Beobachter oder Zuhörer nicht damit rechnen konnte.
Er hatte eine derartige Wendung vorbereitet. Der Ort des Geschehens, die Inszenierung, der Rahmen, die Hörerschaft und nicht zuletzt der Protagonist, der Heilsbringer dieser ganz besonderen Geschichte – es hatte jahrelanger Vorbereitung bedurft, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Und nun würde er die Früchte seines Tuns ernten.
Im Plenum der Ratsversammlung kehrte mit einem Mal Stille ein. Einige wenige Worte wurden weitergeflüstert, von Platz zu Platz, von Reihe zu Reihe. Gerüchte machten die Runde, von Wächtern und Bütteln verbreitet, die in den äußeren Bereichen des Ratsgebäudes Dienst taten.
Er war angekommen! Viele Oraccameo schüttelten ungläubig den Kopf, wollten es nicht glauben. Einige wurden blass und ließen sich kraftlos auf ihre Stühle zurückfallen.
Lärm ertönte. Das Eingangstor schwang auf. Wächter wuselten umher, von der Situation völlig überfordert.
Er betrat den Saal.
Tion Youlder. Schwach und gebrechlich, vom Metallgestell gestützt, das seinen Körper mittlerweile fast vollends durchdrang und dafür sorgte, dass er sich aufrecht halten konnte.
Rings um ihn waren Falciden. Sie gingen nebenher und streiften die Beine ihres Herrn, als wollten sie ihm zusätzlichen Halt geben. Sie musterten die Anwesenden mit wachsamen Blicken, während sie dem Obersten Herrn den Weg bahnten und ihn nach vorn brachten, hin zur Kanzel, die nach wie vor von Wörgut Gooswart besetzt war. Auch Foggas Halter wirkte nervös, obwohl er eingeweiht war.
Tion Youlder war da!
Der Oberste Herr, der den Ratssaal von Ora seit mehreren Dezennien nicht mehr betreten hatte und stets im Schutz seiner
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