PR 2678 – Das Windspiel der Oraccameo
keinen Grund für so viel Überschwang!«, flüsterte der alte Mann. »Wir sind unter uns, wir müssen niemandem etwas vormachen.«
»Selbstverständlich, Oberster.« Gooswart nickte und verzichtete auf weitere Höflichkeitsfloskeln. »Warum hast du uns an Bord deines Schiffs gebeten?«
Der Kriegsminister blickte sich um. Ihm war sein Unwohlsein anzumerken. Sie hatten die ZACKENGUT verlassen und waren auf dieses Schiff übergewechselt, weil der Oberste es so gewünscht hatte
»Der Plan, einen Großteil des Volks der Oraccameo zu entleiben, wird mittlerweile auf allen Kolonialwelten propagiert«, sagte der alte Mann. »Wir dürfen hoffen, mindestens fünfzig Prozent unserer Leute für dieses Vorhaben begeistern zu können. Solche, die noch unsicher sind, werden wir durch sanfte Überredungskunst überzeugen, und bei all jenen, die sich gegen uns stellen, werden wir Härte zeigen.«
»Das alles ist bekannt, Oberster«, sagte Wörgut Gooswart ungeduldig.
»Es wäre fatal, würde ich bloß diese eine Idee verfolgen. Die Kollektoren könnten versagen, die angesammelte Menge von Bewusstseinen niemals ausreichen, um ein Geisteswesen zu erzeugen. Und es könnten in der Praxis neue, bisher unbekannte Probleme auftauchen, über die wir uns heute noch keinen Begriff machen.«
Tion Youlder räusperte sich, eine lange Pause entstand. »Deshalb habe ich in den letzten Jahren eine zweigleisige Strategie verfolgt.«
»Ich verstehe nicht.«
Wörgut Gooswarts Körper versteifte, und es war ein Hauch von Panik in seiner Stimme zu hören, während Fogga ruhig blieb.
Der Oberste Herr hätte sich niemals derart lang an der Spitze eines galaxienumspannenden Reichs halten können, hätte er nicht auf mindestens eine doppelte oder gar dreifache Absicherung seiner Position geachtet.
»Du wirst es gleich sehen.«
Tion Youlder schwieg.
Der Kriegsminister verfiel in dumpfes Brüten, das unangenehm lange anhielt.
Nur die Falciden bewegten sich unruhig im Raum, schrien nach Futter und legten sich erst wieder zu Füßen ihres Herrn nieder, sobald sie das rohe Fleisch verschlungen hatten.
Fogga beobachtete, während er so tat, als würde er mit gesenktem Kopf und nur ganz langsam blubbernden Gedankenblasen neben dem Schleusenzugang der Sicherheitstonne hocken.
Ein Alarmsignal blinkte. Tion Youlder nahm Kontakt zum Kapitän seines Kommandoschiffs auf und gab Anweisungen, bevor er sich selbst vor den Instrumententisch der Hochsicherheitstonne platzierte und Schaltungen vornahm.
Die Tonne löste sich aus dem Haltegefäß wie ein antiquiertes mechanisches Geschoss aus seiner Trommel. Sie beschleunigte mit hohen Werten; das Mutterschiff war bald nicht mehr zwischen den dicht stehenden Sternen erkennbar. Sie tauchte in den Hyperraum ein, um gleich darauf in unmittelbarer Umgebung einer seltsamen Leuchterscheinung in den Normalraum zurückzukehren.
Fogga schloss geblendet die Augen. Als er sie wieder öffnete, war das Objekt immer noch da. Anzeigen auf dem in den Raum gespiegelten Holo wiesen darauf hin, dass es sich bei dem ... Ding um einen frei schwebenden Ring handelte, riesengroß und an den Rändern scheinbar scharf begrenzt. Fogga konnte sich keinen Reim auf das Phänomen machen. Es irritierte und störte ihn, nicht über alle Umtriebe des Obersten Herrn Bescheid zu wissen.
Drei Forschungsschiffe der Oraccameo trieben in unmittelbarer Nähe, allem Anschein nach kannten deren Besatzungsmitglieder das Objekt sehr gut.
Sie setzten sich in Bewegung und kreuzten die »Einflugschneise« mit gemächlicher Fahrt, die auf langjährige Routine im Umgang mit der Erscheinung hindeutete.
War der Leuchtring natürlichen Ursprungs oder ein Konstrukt?
»Was du hier siehst«, sagte der Oberste, »ist der Eingang zur Strukturschleuse und damit zum Kalten Raum.«
»Wie bitte?«
»Der Eingang mündet in einen langen, höherdimensionalen Schlauch, einen Tunnel, den man nur mithilfe hochsensibler Ortungsgeräte wahrnehmen kann. Der Tunnel besitzt eine Länge von etwa einer drittel Lichtsekunde. Und er ragt aus dem Standarduniversum in ein Miniaturuniversum hinein, über dessen Strukturen wir zwar schon einiges, aber noch längst nicht alles wissen.«
»Der Zugang zu einem Miniaturuniversum«, wiederholte Wörgut Gooswart andächtig.
»Ja. Die Forschungsarbeiten daran unterliegen strengster Geheimhaltung.« Der Oberste kicherte leise. Er spielte mit einigen der Deckenvorhänge. Sie klirrten gegeneinander und erzeugten eine Melodie. »Es ist
Weitere Kostenlose Bücher