Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2679 – Der Herr der Gesichter

PR 2679 – Der Herr der Gesichter

Titel: PR 2679 – Der Herr der Gesichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
Vom Netzwerk:
an die Temperatur. Er öffnete die Augen, blinzelte, ignorierte das Brennen der ätherischen Öle, die dem Badewasser beigemengt waren.
    Fünfzehn Herzschläge vergingen. Er zählte in Gedanken mit.
    Hellblaue Lichtbälle trieben um ihn, tanzten einen beschaulichen Reigen. Töne erklangen, tief und stark. Wasser, Wärme, Lichtertanz und Melodie brachten Mekaren in Einklang mit sich und dem Kosmos.
    Dreißig Herzschläge.
    Reinheit, dachte er. Reinheit ist das Höchste, nach dem wir streben können. Reinheit des Körpers wie des Geistes.
    Vierzig Herzschläge. Allmählich wurde das Brennen in den Augen unangenehm stark, aber Mekaren hielt sie offen, blinzelte nur dann und wann. Der Druck auf seine Lungen wurde größer.
    Reinheit von Körper und Geist erfährt man durch Disziplin. Durch Körperbeherrschung. Durch Entsagung.
    Sechzig Herzschläge. Mekaren erreichte den Punkt höchster Konzentration. Wärme, Licht und Melodie – deutlich erkannte er das Muster dieser Sitzung. Den Schmerz und den Reflex, nach Luft zu schnappen, ignorierte er.
    Zwei Minuten vergingen. Ein schriller Ton riss ihn aus der Kontemplation.
    Mekaren schloss die Augen, knirschte mit den Zähnen.
    Wenn es nicht einen immens wichtigen Grund für diese Störung gibt, wird jemand dafür büßen. Jedermann wusste, dass dies der heiligste Moment seines Tages war.
    Mekaren öffnete die Augen, ließ die Luft aus seinen Lungen durch die Nase entweichen. Blasen stiegen an die Oberfläche. Als die letzte aus seinem Blickfeld verschwunden war, löste Mekaren die Füße aus den Halteschlaufen, stieß sich vom gefliesten Boden ab, trieb hinauf und tauchte auf.
    Ruhig und tief atmete er ein und aus und wieder ein. Der beißende Geruch nach Hylgrid-Kräutern und Mahrgar-Samen brannte ihm in der Nase. Mit wenigen, kräftigen Zügen schwamm er zum Beckenrand und stieg in einer Wolke aus Dampf aus dem heißen Wasser. Dämmriges, orangefarbenes Licht fiel aus einigen Beleuchtungsritzen in der Felsendecke.
    »Schott entriegeln!«, befahl er übel gelaunt. Noch während er sich den raufaserigen Bademantel überwarf, der alte Hautschuppen von seiner gereizten Haut reiben würde, öffnete sich das Schott.
    Ein schlanker, sehniger Xylthe eilte herbei. Beinahe kam er ins Rutschen, doch mit wedelnden Armbewegungen gewann er die Balance zurück und blieb drei Schritte vor Mekaren stehen.
    »Protektor Mekaren«, hechelte der Mann. Er war jung, vielleicht vierundzwanzig Jahre alt, frisch von der Akademie. Sein Brustkorb hob und senkte sich in raschem Wechsel.
    »Ich kenne meinen Rang und Namen«, herrschte Mekaren ihn an. »Was ist so wichtig, dass ich in meiner Meditation gestört und noch dazu durch deine Anwesenheit belästigt werde? Hätte eine Funknachricht nicht genügt?«
    »Verzeihung, Protektor. Mir wurde befohlen, dir die Nachricht persönlich zu überbringen. Protektor Haguany trug mir auf, dir dieses Schriftstück auszuhändigen.«
    Der Junge zog einen Metalltubus aus einer grauen Umhängetasche und hielt sie ihm mit gesenktem Kopf entgegen.
    Die Unterwürfigkeit widerte Mekaren an. Wortlos riss er dem Boten den Tubus aus der Hand. »Geh!«
    »Ich muss ...«, entschlüpfte es dem Meldeläufer, bevor er eilig den Mund schloss.
    »Schweig!«, sagte Mekaren gefährlich leise. »Sollte ich Haguany antworten wollen, beauftrage ich einen Boten meines Vertrauens.«
    Und keinen ängstlichen, bibbernden Nichtsnutz, fügte er in Gedanken hinzu.
    Einige Augenblicke stand der Bote nur da und schaute begriffsstutzig drein, dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte mit weiten Schritten davon.
    Mekaren seufzte. Sollte das die Zukunft des glorreichen xylthischen Volkes sein?
    Mit wenigen Griffen brach er das Siegel seines Freundes, öffnete den Tubus, entnahm ihm die kalkweiße Folie und rollte sie auf. Es war ein Brief. Handschriftlich verfasst.
    Beunruhigt hob Mekaren das Schriftstück hoch. Er musste die Augen zusammenkneifen, um im Zwielicht des Badesaals die kleinen, ganz offensichtlich hektisch hingekritzelten Schriftzeichen entziffern zu können. Weshalb schickte ihm Haguany eine Nachricht, die in solch anachronistischer Art und Weise verfasst worden war?
    Ein schrecklicher Verdacht stieg in ihm auf.
    Mein lieber Freund, las der Protektor. Wenn du diese Zeilen liest, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich bereits nicht mehr unter den Lebenden weile. QIN SHI ist erwacht ...
    Stumm nahm er den Rest der Botschaft in sich auf. Danach knüllte er die Folie zusammen,

Weitere Kostenlose Bücher