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PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock

Titel: PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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kein Kraut gewachsen.
    Zur Belustigung von Irpan da Konerants Gespielin sollte der Drache die Gesichtszüge des Arkoniden aufweisen, gepaart mit der behutsam optimierten Sprechfähigkeit eines Papageien und einfachem Zahlenverständnis. Daraus ist weit mehr geworden.
    Ungewollt habe ich einige Grenzen überschritten. Oder hat sich Irps Entwicklung verselbstständigt? Die gesetzlichen Vorgaben waren für mich stets die Leitlinie. Vor allem achte ich peinlich genau darauf, dass keine meiner Kreaturen in den Evolutionären Flux der Biosphäre eindringen kann. Genetisch designte Wesen dürfen sich nicht fortpflanzen und zu einer eigenen Spezies werden, sie müssen Singuläre bleiben, selbst wenn ihre Zahl, wie die meiner Singmäuse, in die Tausende geht.
    Keine Züchtung darf die Schwelle zum Selbstbewusstsein überschreiten. Genau das ist mittlerweile mein größtes Problem. Irp ist sich seiner selbst bewusst, das stelle ich jeden Tag aufs Neue fest.
    »Woher komme ich?«
    Wie beiläufig stellt er die Frage. Aber offensichtlich meint er sie nicht besonders ernst, denn er stößt sich gleichzeitig von meiner Schulter ab.
    »Von da draußen?«
    Ich kann ihn nicht zurückhalten. Mit halb angewinkelten Schwingen segelt er auf das Fenster zu. Was ihn an der Landschaft reizt, weiß ich nicht. Er macht das zum ersten Mal.
    Irp schreit heiser, als er die Attrappe durchstößt und gegen die Wand klatscht. Begreift er, was mit ihm geschieht? Sein feuerroter Leib versinkt in einer der Wiesen, während die wild schlagenden Schwingen die Berge zum Einsturz bringen. Für wenige Sekunden scheinen der Southside-Drache und die Landschaft miteinander zu verschmelzen, dann taumelt Irp kreischend daraus hervor und stürzt zuckend auf den Bioresonator.
    Aus einer Platzwunde an der Stirn rinnt Blut über sein Gesicht. Ich will ihm helfen, doch er faucht mich aggressiv an.
    »Schon gut.« Beschwichtigend hebe ich die Hände. »Du bist selbst schuld daran.«
    »Was war das?« Irp schaut von mir zum Fenster und zurück. Zweifellos begreift er nicht, warum sich plötzlich Finsternis breitmacht.
    »Ich will es wissen!«, fordert er, als ich nicht sofort antworte.
    »Eine Holoprojektion«, sage ich. »So etwas wie ein Bild, das die Wirklichkeit vortäuscht.«
    Die vermeintliche Landschaft befindet sich in Aufruhr, als hätten Riesenfäuste wahllos hineingegriffen und zusammengeknüllt, was sie gerade zu packen bekamen. Ein optisches Chaos tobt. Irp scheint etliche der feinen Projektorköpfe in Schwingungen versetzt oder gar beschädigt zu haben.
    Er schüttelt die Schwingen und reibt mit dem Gesicht über die Aggregatverkleidung, verschmiert dabei aber nur sein Blut. Mit den kurzen vorderen Gliedmaßen stemmt er sich Augenblicke später wieder in die Höhe und spuckt eine spärliche Flamme gegen die Wand.
    »Alles falsch?«, fragt er schrill. »Hinter dem Fenster ist deine Heimat, Mutter ...? Kein Fenster – keine Heimat.«
    Das klingt logisch. Viel zu logisch für eine drei Monate junge Patchwork-Kreatur. Aber ich kann Irp deswegen nicht einfach den Hals umdrehen. Sicher, niemand außer mir wüsste davon, und niemand würde es je erfahren.
    Eigentlich muss ich nur das große Desintegratormesser nehmen. Ein schneller, tödlicher Schnitt, und meine Probleme hätten ein Ende.
    Ich kann es nicht.
     
    *
     
    Knapp zwei Minuten dauert es, bis die Projektion sich allmählich stabilisiert. Sie zeigt nun lediglich eine unheimlich anmutende Schwärze. Die gleißende Mittagssonne gibt es nicht mehr, ebenso wenig irgendwelche Sterne. Das Streulicht schwacher Scheinwerfer lässt vage die funkelnde Eiswüste und schroffe Felsverwerfungen erahnen.
    »Nichts ist wahr«, krächzt Irp. »Das Fenster ist eine Lüge ... Deine Heimat gibt es wohl auch nicht ...«
    »Ich bin auf Terra aufgewachsen«, sage ich.
    Irps Arkonidengesicht wirkt mittlerweile schief. In seiner Erregung lässt der Southside-Drache erkennen, dass keineswegs alle Sehnen und Muskelstränge optimal angeglichen sind. Aber wennschon, wäre das eine Routineaufgabe für einen chiroplastisch programmierten Medoroboter. Als Gendesignerin muss ich mich keineswegs um jede Kleinigkeit kümmern.
    »Wir befinden uns hier nicht auf Terra, sondern auf einem Mond des äußeren Planeten«, erkläre ich ihm.
    Irp blickt mich an, als zweifle er plötzlich an allem, was ich sage. »Red weiter, Mutter!«, forderte er mich trotzdem auf. »Ich verstehe das zwar nicht, noch nicht, aber es klingt ...«
    »...

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