PR 2685 – Der ARCHITEM-Schock
den Fagesy, einen gewaltigen Tritt zu verpassen?
»Nicht das!«, protestiert Irp. »Das interessiert mich nicht.«
»Du wolltest Trivid sehen – das ist Trivid«, widerspreche ich ihm.
»Lustfunk!«, verlangt er schrill.
Oh ja, natürlich. Er hat seine Eigenheiten. Nachrichten rund um die Uhr will er nicht sehen, das ist für ihn Denkfunk der klugen Leute und zu anstrengend. Er bevorzugt Musik, Spielclips und Sportereignisse: Lustfunk, wie er sich ausdrückt. Und vor allem Werbesendungen. Was für zwölf Milliarden Bewohner des Solsystems gemacht wurde, daran kann er keineswegs vorbei.
»... gibt es mittlerweile Anzeichen für eine sich anbahnende Veränderung. Jedoch stellt sich die Frage, ob wir eine richtige Bewertung treffen können. Auf eine Stellungnahme aus der Solaren Residenz warten wir bislang vergeblich. Offenbar zeigt sich niemand bereit, auf Spekulationen einzugehen.«
»Das ist langweilig!«, schimpft Irp. »Ich will den anderen Sender, den vom Mars.«
Eben ist in der bestehenden Projektion von größeren Flottenbewegungen innerhalb des Systems die Rede. Doch unvermittelt plärren die Akustikfelder los. Irp genießt den Schalltsunami wie eine laue Herbstbrise.
Erst Sekunden später wird mir bewusst, dass der Servo den Sender gewechselt hat. Irp imitiert meine Stimme inzwischen perfekt. Sein Körper zuckt im wilden Rhythmus der Zufallssynkopen. Schräg, schrill und mit Sicherheit nicht für menschliche Ohren gemacht.
A Hainu in Action. Der historische Bezug im Namen des Senders ist für mich das einzig Solide. Der Rest: laut, grell, aufdringlich. Und damit das richtige Programm für einen jungen Drachen ...?
Irp faucht. Speit Feuer. Dann singt er mit. Einen Text, den ich für eine Hinterlassenschaft der Terminalen Kolonne TRAITOR halte. Einer späten Rache. Was vor mittlerweile rund 120 Jahren geschah, kenne ich nur aus einigen Standarddateien der öffentlich erhältlichen Hypnoschulungen. Das Chaos, das damals so nahe war, setzt sich in den Texten aktueller Musik fort.
»... Feuer frisst den Raum, wir treiben in der Brandung der Nacht, ersticken in der Zeit ...«
Entgeistert starre ich Irp an. Er krächzt sich geradezu in Trance. Wenn ich einen Paralysator in Reichweite hätte, würde ich den Patchwork-Drachen ruhigstellen.
Den Meldeton des Kurzstreckenfunks höre ich nicht. Mir fällt nur die blinkende optische Anzeige auf.
Jeros Boccillu ist der Anrufer. Sein holografisches Konterfei blickt mich nachdenklich und überrascht zugleich an, dann wechselt seine Miene zu purem Entsetzen.
Was er sagt, bleibt mir unverständlich. Erst sein Kopfschütteln bringt mich auf den Gedanken, die akustische Abschirmung aufzubauen.
Die abrupte Stille schmerzt beinahe.
»Ich habe gestern Abend auf dich gewartet«, klagt Jeros.
»Ich hatte zu tun. Ein überraschender Auftrag.« Das ist, was mir spontan dazu einfällt. Diesmal habe ich wirklich die Verabredung vergessen. »Es tut mir leid, Jeros.«
»Schade«, sagt er.
»Aber ich komme nach Cape Halia, bestimmt.«
Cape Halia ist die kleinere Kuppelsiedlung auf Triton, nur 880 Kilometer von meinem angemieteten Labor entfernt. Da ich weder über einen Transmitter noch einen schnellen Fluggleiter verfüge, ist die Entfernung nicht ganz leicht zu überwinden.
»Du hast es schon gehört, Rya?« Jeros schaut mich durchdringend an.
Sein Blick erschreckt mich. Solange wir uns kennen – eigentlich eher eine Beziehung auf Distanz –, habe ich ihn nicht so ernst gesehen. Nicht einmal, wenn ich eine Verabredung kurzfristig platzen ließ.
»Was soll ich gehört haben?«
Er winkt ab.
»Kein Wunder, Rya. Solange du diesen psychedelischen Kram von A Hainu in Action laufen hast, entgeht dir das Leben. Du solltest schnellstens auf einen seriöseren Sender umschalten.«
Jeros macht mir Angst. Nein, Angst wohl nicht. Das Gefühl ist eher, als wenn alles in mir versackt und mir jemand die Füße wegzieht.
Bahnt sich eine Entscheidung an?
Deshalb die Berichte über unsere Flottenkontingente in den letzten Tagen? Als Vorbereitung auf das Kommende.
Tobt in diesem Moment die Entscheidungsschlacht gegen die Nagelraumer der Spenta und die Sternengaleonen der Sayporaner?
»Servo, auf Augenklar umschalten!«, platze ich geradezu heraus. »Und während der kommenden halben Stunde keine weitere Anweisung von mir ausführen!«
Damit habe ich Irp hoffentlich den Wind unter den Schwingen weggenommen. Er soll gar nicht erst auf den Gedanken kommen, alles mit mir machen zu
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