PR 2689 – Kristall-Labyrinth
Schiffe vergingen darin. Zerbrechlich aussehende Rettungsflieger trieben in peitschenden Stürmen.
Während Yrrxhyn versuchte, seine Mannschaft zu sammeln, steuerte Gucky den Palast des Königs an, der unter aktivierten Schutzschirmen lag. Kleine Beiboote umkreisten ihn, den Orterergebnissen zufolge kampfbereit. Einer geballten Attacke von QIN SHIS Streitkräften hätten sie nichts entgegensetzen können, der JACKLES allein könnten sie gefährlich werden. Doch für Kampfhandlungen gab es keinen Grund.
Gucky identifizierte sich per Funk. Vom Palast aus schaltete ihm ein Offizier eine Strukturlücke in den Schirm.
Gerade als das Schiff andockte, betrat Partok die Zentrale. »Ich war nicht Herr meiner Sinne, als ich ...«
»Geschenkt«, unterbrach der Mausbiber. »Ich stand selbst kurz davor, die Kontrolle über mich zu verlieren.« Zum ersten Mal dachte er wieder daran, wie er den Raumanzug erhalten hatte. Er trug ihn nach wie vor, und ihm schien, dass sich das Material von Minute zu Minute besser an seine geringe Körpergröße anpasste. »Mir gefällt übrigens gar nicht, wie ich mich von dem Einfluss der Drogen abschotten konnte.«
»Wie auch immer, du hast uns alle damit gerettet.«
»Richtig«, sagte Gucky. Und nur das zählte.
*
König Noser Netbura war ein alter Mann. Die Last der Jahre und der Verantwortung drückte auf ihn und ließ ihn halb in sich zusammengesunken auf seinem Thronsessel kauern. Er hielt einen mit Wein gefüllten Pokal in der Hand und reckte ihn Gucky entgegen. Partok war in der JACKLES zurückgeblieben.
In der Luft lag der Klang einer traurigen Melodie.
»Sei gegrüßt, mein Gast«, sagte der König mit erstaunlich volltönender Stimme, die so gar nicht zu der hinfälligen Gestalt passen wollte. Der Rest von vergangenem Charisma lag darin und die Erinnerung an das Lachen aus besseren Tagen, als Netbura seine Besucher noch reich bewirtet hatte. »Mein Gast ... und mein Retter.«
Diener eilten von der Seite heran und reichten Gucky ebenfalls einen Pokal. Der Wein roch süß und verführerisch.
Eine Lirbal bückte sich und wischte den Staub von den Füßen des Mausbibers. Er konnte es kaum glauben, als er sah, dass sie dazu ihre Haare nutzte.
»Steh auf«, raunte er ihr zu. »Bitte!«
Sie erhob sich zögerlich, verneigte sich so tief, dass sie den kleinen Gucky nicht überragte, und schlich rückwärts davon. Sie verschwand hinter einem Vorhang, der von der hohen Decke hing.
»Du betrachtest mich als deinen Retter?«, fragte der Multimutant.
»Du hast einmalige Kräfte, und du bist der, auf den das Reich gewartet hat.« König Netbura lachte, und wieder schien darin die Erinnerung an einen starken, fröhlichen Mann auf; an denjenigen, von dem Alaska Saedelaere aus dem Mahnenden Schauspiel vom See der Tränen berichtet hatte; an den Mann, der jovial seine Heerschar von Fans und Bewunderern empfangen hatte. »Oder genauer gesagt bist du einer von denen, auf die wir warteten. In gewissem Sinn bist du TANEDRAR, und wer sonst außer dir könnte uns retten in diesen schweren Tagen?«
»Die Gemeinschaft der vier ist zerbrochen«, erklärte der Mausbiber.
»Ich weiß«, sagte Netbura traurig. »Es musste so kommen, weil der Ankunft stets der Aufbruch folgt. So will es das Gesetz.«
»Du irrst dich.« Gucky ging näher an den Thronsessel heran, und zu seiner Überraschung stand der alte König auf. Die Last seiner Krone drückte den Kopf nach vorn, sodass das Kinn fast auf der Brust auflag.
»Es liegt nicht am Ritual von Ankunft und Aufbruch«, fuhr der Mausbiber fort. »Sondern daran, dass QIN SHIS Angriff auf die Ankerwelt begonnen hat. Du weißt doch, dass die Superintelligenz vor den Toren steht und Pean zerstören will?«
»Unser Feind will es nicht nur – es nimmt längst seinen Lauf.« Der König hob die Krone vom Kopf und warf sie auf den Boden. Es krachte, und sie kullerte auf der Seite liegend davon. »Meine Zeit als Herrscher in diesem Sessel ist vorüber. Mir bleibt nur noch ein Weg – ich muss verhandeln. Vielleicht zeigt QIN SHI ein Einsehen, und wenn nicht er, dann hoffentlich wenigstens ein Teil seiner Truppen. Das Regieren überlasse ich dir. Nimm meine Krone, falls du magst.«
Gucky nahm sie tatsächlich – aber nur, um sie telekinetisch auf Noser Netbura zuschweben und auf dessen Kopf landen zu lassen. »Das wäre der falsche Weg, König! QIN SHI ist eine besonders krasse Form einer parasitär-negativen Superintelligenz, der man nicht vertrauen kann.
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