PR 2689 – Kristall-Labyrinth
von feindlichen Lebensformen an Bord.«
»Tu, was ich sage!« Um auf langwierige Erklärungen verzichten zu können, präsentierte er eine vereinfachte Version und fragte sich, wie es sein konnte, dass er in einer Situation wie dieser mit einem Raumschiff diskutierte. Es war zum Verzweifeln. »Eine fremde Geistesmacht hat die Besatzung psychisch übernommen und lenkt sie.«
Der Eingang schloss sich, und kurz funkelte ein Energiefeld rundum auf. Funken schienen vor den Wänden zu tanzen, auch über dem Boden und unter der Decke. Gucky spürte ein leichtes Vibrieren unter den Füßen.
»Die Zentrale ist versiegelt«, bestätigte die Positronik. »Weitere Befehle?«
»Riegle die JACKLES von der Außenwelt ab und beginne einen kompletten Atmosphärentausch im gesamten Schiff! Die Luft ist verseucht. Gleichzeitig müssen wir starten und in einen stationären Orbit über dem Raumhafen gehen.«
»Der Austausch hat begonnen und wird zehn Minuten dauern, wenn ich Rücksicht auf die Besatzung nehme. Im Notfall ist die Prozedur auch in einer Minute durchführbar, allerdings wird dabei nicht auf die Versorgung der ...«
»Zehn Minuten reichen aus«, unterbrach Gucky. »Danach veranlasst du sämtliche Medoroboter, jeden Einzelnen an Bord auf Fremdstoffe im Körper zu untersuchen und sie nach Möglichkeit herauszufiltern.«
Ein Ruck ging durch die Zentrale.
»Die JACKLES hat abgehoben«, informierte die Positronik.
Na also, dachte Gucky. Endlich mal wieder etwas, das ohne größere Katastrophen glattzugehen scheint.
*
»Hallo?«, tönte es aus dem Akustikfeld. Die Stimme klang unsicher und verloren wie die eines verschüchterten kleinen Kindes, das seine Eltern in einer fremden Menschenmenge suchte. »Hier spricht Kommandant ... Kommandant Yrrxhyn. Ich weiß nicht, was geschehen ist. Zentrale, kann ... kann mich jemand hören?«
»Hier Zentrale«, antwortete Gucky. »Bist du bei klarem Verstand, Yrrxhyn?« Es tat fast weh, den Namen so dumpf und tief aus der Kehle auszusprechen, wie es der andere getan hatte.
»Wer bist du?«
»Ich führe aktuell im Auftrag des Königs dieses Schiff«, kürzte der Mausbiber die tatsächliche Geschichte ab. »Kannst du zur Zentrale kommen?«
»Ich stehe direkt vor dem verschlossenen Schott.«
Gucky befahl der Positronik, eine Bildaufnahme zu projizieren. Zu seiner Überraschung handelte es sich bei dem Kommandanten nicht um einen Humanoiden oder einen Kandran, wie er sie auf Pean schon oft getroffen hatte.
Yrrxhyn stammte aus einem ihm unbekannten Volk. Ein wenig ähnelte sein Unterleib dem eines Pferdes, doch er ging auf drei Beinen, die sich in Höhe der Kniegelenke jeweils noch einmal aufspalteten. So entstand ein seltsam asymmetrischer, fast spinnenartiger Eindruck. Ein dreieckiger Kopf saß halslos auf dem breiten Brustkorb, und statt der im Reich der Harmonie allgegenwärtigen Maske hing ein dichter Schleier aus Haaren – oder Fell – vor dem Gesicht.
»Öffne mir!«, befahl der Kommandant. »Die Positronik reagiert nicht auf mich.«
»Die Weisung des Königs wiegt schwerer«, wandte sich die seelenlose Positronikstimme an Gucky. »Das Kommando führst deshalb du. Yrrxhyns Sicherheitsstufe im Reich der Harmonie entspricht nicht annähernd der deinen.«
»Lass ihn trotzdem ein«, verlangte der Mausbiber.
Das Schott fuhr zur Seite, und der ehemalige Kommandant der JACKLES kam herein. Die sechs Füße klackerten in raschem Rhythmus. »Was ist passiert?«
Gucky gab eine kurze Zusammenfassung und rief die aktuellen Berichte der Positronik ab. »Laut aktuellen Analysen ist die Lage an Bord stabil. Ich muss dringend zu König Noser Netbura.«
Bislang hatte er den Anflug nicht befohlen, um das Risiko durch eine verseuchte Besatzung zu vermeiden. Der Fliegende Palast war noch nicht mit der Chemikalie kontaminiert worden, und daran durfte sich nichts ändern.
»Ich bin einverstanden und bringe dich ...« Yrrxhyn brach ab. »Aber das habe ich wohl nicht mehr zu entscheiden.«
»Keine Sorge«, sagte der Mausbiber. »Sobald ich im Palast bin, kannst du das Kommando wieder übernehmen. Es gibt auf Pean mehr als genug für dich zu tun.«
Stumm wies er auf einige Bildwiedergaben auf dem Display der Arbeitsstation. Sie zeigten Aufnahmen von der Planetenoberfläche. Ganze Städte brannten und schickten gewaltige Rauchwolken in die Atmosphäre. Im Sekundentakt fing die Positronik panische Funkbotschaften auf. Ein gesamter Ozean loderte unter den Flammen einer Ölschicht.
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