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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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dass er an diesem Ort, den sie hinter sich gelassen hatten, diese sogenannte Realität, neben ihm am Krankenbett saß. Er verfügte über Sinne, die ihn seine Umgebung höchst intensiv wahrnehmen ließen. Womöglich erkannte er in den Fetzen Gestalten oder Ideen, die ihm nicht behagten.
    Sie kamen nun langsamer vorwärts, seitwärts, rückwärts. Etwas hemmte sie. Aiden fühlte Widerstand. Etwas, das sie in eine bestimmte gedankliche Richtung führen wollte. Er gab dem Drängen nach. Er meinte sich zu erinnern, dass er stets einer Leitlinie gefolgt war.
    Da!
    Ein schwacher, aber deutlich erkennbarer Gedanke! Aiden hatte die Spur aufgenommen, die ihn zu Zachary bringen würde! Er musste bloß dranbleiben, mit seinem Begleiter im Schlepptau, der ihn gleichermaßen zog wie zurückhielt. Er durfte diese dünne Spur zu seinem Bruder keinesfalls verlieren.
    Oder irrte er sich? Dieser da vorn, der neu Hinzugekommene, hinter, unter- oder oberhalb von ihm, fühlte sich fremdartig an. Er wirkte kräftig und schwach zugleich. Er war wie eine strahlend helle Flamme, die endgültig zu erlöschen drohte inmitten der Schwärze.
    Es haftete ihm etwas Unverwechselbares an. Aiden hatte keinen Zweifel, dass es von Zachary stammte. Wurde sein Bruder etwa absorbiert oder aufgefressen? Gab es hier, jetzt, dort, dann eine Wesenheit, die von Gedanken lebte?
    Aiden war wütend. Er wollte nicht hinnehmen, dass seinem toten Bruder Leid zugefügt wurde!
    Er fühlte weitere Treibfelder in seiner Umgebung. Sein Begleiter drängte näher zu ihm. Sie ahnten, dass sie sich gegenseitig unterstützen mussten, wollten sie dem Irrsinn sich hochtürmender Gedankenwolken widerstehen, die sich zäh wie Gummi anfühlten. Sie mussten diese Wolken durchdringen, wollten sie an ihr Ziel gelangen und Zachary helfen.
    Sie kämpften. Aiden mit viel Zorn, Anka – so war doch sein Name, oder? – mit Langmut und Gelassenheit, die auf ähnliche Erfahrungen schließen ließen. Der Mann an seiner Seite kannte diesen Ort besser als er, hielt sich womöglich seit seiner Geburt hier auf.
    Sie durchdrangen die Gedankenmolasse. Bohrten sich tiefer und tiefer. Der Geruch und der Geschmack Zacharys wurden intensiver. Gleich hatten sie es geschafft, gleich waren sie durch ...
    Sie schwebten in völliger Leere. Es war grässlich! Hier gab es nichts, anhand dessen sie sich orientieren oder aufrichten konnten. Ein Aufenthalt in einer derartigen Form von Nichts würde ihnen binnen Kurzem den Tod bringen. Sie würden sich selbst vergessen.
    Waren sie in eine Falle geraten? Unterschied man an diesem Ort überhaupt zwischen Freund und Feind, zwischen Gut und Böse?
    Aiden wusste es nicht. Der Gedanke verlor rasch an Bedeutung. Denn plötzlich war es ganz nahe bei ihm. Dieses Wesen, das einen Hauch seines Bruders in sich trug.
    Er mochte nichts mit ihm zu tun haben. Es strahlte etwas aus, was den Kontakt zu einer schmerzhaften Angelegenheit machte. Nur dank der Präsenz des anderen, seines treuen Begleiters, blieb Aiden bei sich.
    Er/es war völlig fremd. Er/es war sich seiner Existenz kaum bewusst. Er/es trieb dahin, ein riesiges Gebilde in der Form eines Gedankenschwamms. Er/es mühte sich, ihm etwas zu vermitteln. Einen Begriff, der keine Entsprechung hatte. Einen Namen. Etwas, das Aiden sich bloß zusammenreimen konnte.
    ALLDAR, schriemurmelte es. Ich bin ALLDAR.

6.
    Der Dosanthi
     
    Er schreckte hoch, als er fremde Hände auf seinem Buckel fühlte. Chimao hatte Angst, war wütend und wollte den Fremden töten, ihn zerreißen ...
    »Ruhig«, sagte eine bekannte Stimme. »Ich bin es. Pirlo Mnacem.«
    Die Erinnerungen kehrten zurück, die Wutangst ließ nach. Der Stellvertreter Araba Nechtos war gekommen, um sie auf den bevorstehenden Kampf einzuschwören. Mühsam löste sich Chimao aus seinen Träumen.
    Rings um ihn war ödes Grün. Das Dosedo in der Wohnkaverne widerte ihn an. Er wollte nach Hause, zurück nach Dosanth!
    »Reiß dich zusammen!«, befahl Pirlo Mnacem. Er tat es ohne viel Nachdruck, so als hätte er dieselben Worte an diesem Tag bereits x-mal verwendet.
    »Ja, Pandi.«
    Der Stellvertreter stutzte. »Pandi ist ein nur noch selten verwendeter Ausdruck. Man sagt, dass er hauptsächlich von Häretikern verwendet wird, die nicht an die neuen Episteln glauben.«
    »Ich glaube an alle Episteln.« Chimao stieg von der Wand und dehnte die Finger.
    »Das ist nicht ungefährlich. Manche von ihnen gelten als veraltet. Araba Nechto würde dir an den Buckel gehen, würdest du

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