PR 2695 – Totenhirn
Prognosen?«
»Andernfalls wären wir nicht mehr hier. Er hat uns vor dem Kavenay-Tor in der galaktischen Eastside die Flucht vor gatasischen Marodeuren ermöglicht. Er hat uns durch die Schlacht von Hemperdinck geleitet. Er hat mehr Leuten das Leben gerettet als die Schutzschirme der RATBER TOSTAN.«
»Ein Teil dieses Lobes gehört auch dir selbst. Dein Wagemut hatte ebenfalls damit zu tun, habe ich mir sagen lassen.«
»Wagemut? Im Flottenkommando nennen sie es Verrücktheit.«
»Es interessiert mich nicht, was andere über dich sagen. Ich sehe jedenfalls eine Sache ziemlich klar: Da haben sich zwei ganz besondere Menschen gefunden.«
»Falsch.«
Ankersen hütete sich, mehr zu sagen. Anka war kein Mensch. Aber Gestaltwandler waren nicht sonderlich beliebt. Sie machten andere Wesen nervös, ängstigten sie. Es war gut, dass Hilvard gelernt hatte, seine menschliche Gestalt über lange Zeiträume hinweg beizubehalten.
»Hilvard reagiert«, unterbrach der Schiffsarzt die Unterhaltung. »Wie es aussieht, kommt er mit Aiden gut zurecht.«
Ybarri wandte sich dem Cranstoun-Zwilling zu. »Wie fühlst du dich?«, fragte sie über das Mikrofonfeld.
»Müde und ein wenig nervös.«
»Spürst du Anka Hilvard?«
»Nein. Du weißt, dass ich lediglich mit meinem Zwillingsbruder in telepathischen Kontakt treten kann.«
»Egozentrische Telepathen«, mischte sich Doktor Pernemas ein, »wie überaus interessant! Schön, dass ihr unser Schiff für dieses besondere Experiment ausgesucht habt.«
Verflixter Doktor! Er mochte noch so gut sein bei dem, was er tat. Er behandelte Hilvard mit allem nötigen Respekt und hatte ihm geholfen, sein Leben zu meistern. Doch nun trat Pernemas als Forscher auf – und damit als Verbündeter der Ersten Terranerin.
»Ich muss mich jetzt konzentrieren«, meldete sich Aiden Cranstoun erneut zu Wort. »Lass mich bitte mit Hilvard allein, Doktor.«
Pernemas rief seine robotischen Helfer zurück, die wie wütende Hornissen umhersurrten und Messungen vornahmen. Sie verkrochen sich in den weiten Taschen des Arztkittels und verstummten. Sie würden wieder hervorkommen, wenn Pernemas sie per Zuruf aktivierte. Auch der menschenähnliche Medobot zog sich von der Liege zurück; er glitt passgenau in eine Wandnische. Einige wenige Verbindungen zwischen Mensch und Maschine blieben bestehen, die Kontrolle von Aiden Cranstouns Biowerten erfolgte lückenlos.
Pernemas berührte Anka sachte am Hinterkopf und flüsterte ihm einige Worte ins Ohr. So, wie es Ankersens Mündelkind mochte.
Hilvard nickte und löste sich vom Arzt. Er starrte desinteressiert gegen die Wände, drehte sich mehrmals im Kreis. Murmelte einige Worte in einer Sprache, die nur er selbst kannte, und setzte sich dann an die Kante von Aiden Cranstouns Liege. Er legte ihm eine Hand auf den rechten Oberarm, der Kosmopsychologe ließ es geschehen.
Pernemas verließ die Behandlungskammer. Er sprach leise vor sich hin. Schwebende Aufnahmegeräte hielten fest, was er in Worten zusammenfasste. Erst nach getaner Arbeit gesellte er sich zu Henrike Ybarri und dem Oberst in den Beobachtungsraum.
»Anka Hilvard spricht gut an auf Cranstoun«, sagte Pernemas dann. »Aber das heißt noch nichts. Wir müssen abwarten, was weiter geschieht.«
»Wie tritt Cranstoun mit seinem Zwillingsbruder in Kontakt?«, fragte Ankersen.
»Wir wissen nur wenig darüber«, antwortete die Erste Terranerin. »Aiden kann nicht exakt beschreiben, was da vor sich geht. Deswegen ist es ja so wichtig, dass ihn Anka Hilvard auf seiner Reise begleitet. Aiden vertraut seinem Bruder bedingungslos, auch wenn er tot und im Kontinuierlichen Sediment des Totenhirns eingelagert ist.« Ybarri nickte dem Oberst zu. »Es wäre ein unendlich wichtiger Gesprächspartner, um weitere Geheimnisse der Anomalie aufzudecken. Das geballte Wissen, das es in sich birgt, würde uns enorm weiterhelfen.«
»Was weißt du über das Totenhirn und dessen Funktion?«
»Du hast eine sehr direkte Art, unangenehme Dinge beim Namen zu nennen.«
»Ich bin kein Politiker. Mir ist die Zeit für stundenlanges Herumlavieren zu schade.«
»Na schön, Oberst Ankersen. Die Wahrheit ist: Wir glauben zu wissen, dass das Totenhirn in der Lage ist, die Anomalie in das Neuroversum zu verwandeln. Die Transformation muss gelingen, sonst wird der Raum rings um uns vernichtet – und alles, was in ihm ist.«
»Weiter!«
»Wir haben über die egozentrischen Zwillinge einen Zugang zum Totenhirn. Aiden hatte bereits
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