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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ihm gegenüber so sprechen.«
    »Du bist nicht Araba Nechto. Und das ist gut so.« Woher fand er bloß den Mut, dem Stellvertreter gegenüber derart offene Worte zu finden? War es die Müdigkeit, war es die Aussicht auf einen weiteren Kampf fern der Heimat, womöglich auf den letzten Kampf seines Lebens?
    »Was möchtest du damit sagen?«
    Ringsum stiegen die anderen Mitglieder der Siebenergruppe aus der Wand. Sie wirkten wie betäubt und waren längst nicht in der Lage, ihrer Unterhaltung zu folgen.
    »Einige Interpreten der mittleren Epistel sprechen von einem Pandi, der kommen wird, um uns in die Heimat zurückzuführen. Sie reden davon, dass wir niemals wieder hinaus in die Schwarze Kälte fliegen müssen.«
    »Diese Interpretationen stammen aus einer Zeit, da noch nicht feststand, ob wir QIN SHIS Angebot annehmen und durchs All reisen würden.«
    »Mag sein.« Chimao hatte keine Lust, über seine Ansichten zu diskutieren. Der Mann machte ihn wütend, auch wenn er sich wie ein zukünftiger Pandi benahm, wie ein Heilsbringer. »Also, was willst du von uns, Pirlo Mnacem?«
    »Die Schlacht steht unmittelbar bevor.«
    Der Stellvertreter winkte den anderen Mitgliedern der Siebenergruppe, näher zu kommen. Sie bildeten einen Kreis um ihn, rochen seine Ausdünstungen, öffneten die Hautlamellen.
    »Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Das ist unsere Chance. Wir müssen unseren Feinden in den ersten Minuten der Schlacht größtmögliche Schäden zufügen. Wir dürfen sie nicht zum Atmen kommen lassen. Müssen alles aus uns herausholen.«
    »Es stehen Dosanthi auf der anderen Seite«, warf Bara Ttamia ein.
    »Denkt nicht daran. Denkt an Ehre. Treue. Gehorsam. Macht eure Anführer stolz. Tut, was verlangt wird.«
    Pirlo Mnacems Worte waren zu glatt, und sie kamen zu rasch. Er hatte sie in den letzten Stunden gewiss zigmal wiederholt.
    »Glaubst du an deine eigenen Worte?«, platzte Chimao heraus.
    »Wie bitte?«
    »Ich möchte wissen, ob du uns etwas vormachst. Ob es richtig ist, was wir tun.«
    Für einen Moment hatte es den Anschein, als würde der Stellvertreter seine Beherrschung verlieren und sich auf ihn stürzen. Doch er atmete bloß tief durch und sagte dann: »Wir tun das Richtige, weil wir Befehlen gehorchen. Das gilt für euch genauso wie für mich oder für Araba Nechto.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.« Was war bloß in ihn gefahren, dass er die Autorität des Stellvertreters infrage stellte? Niemals zuvor hatte er derartigen Mut gezeigt und seine Gedanken in Worte gefasst.
    »Du bist ein Ketzer, Chimao. Du widersetzt dich allem, was uns gut und wichtig ist. Selbst und vor allem den Episteln.«
    »Ich höre auf meinen Verstand. Er sagt mir, dass wir erstens hier nichts zu suchen haben. Dass wir zweitens nicht gegen andere Dosanthi kämpfen sollten. Dass wir endlich mal wieder echte Wände und echtes Dosedo fühlen sollten.«
    »... und um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir kämpfen. Befehlen gehorchen. Die Flotte QIN SHIS steht uns im Weg, wollen wir in die Heimat zurückkehren.«
    »Ja, aber ...«
    »Genug!«, brüllte Pirlo Mnacem. Er stürzte sich auf ihn, stieß ihn an. Der Mann war Calanda, hatte Aggressivität geladen und war bereit zu töten.
    Der Stellvertreter schlug zu, ließ die Hände mit Chimaos Lamellenhaut verkleben, zog ihn zu sich heran, rieb voll Wut über seine Haut, rau und schmerzend, dass er meinte, er müsste in Flammen vergehen. Er wuchs und wuchs und wuchs. Der Buckel seines Gegenübers verschwand. Chimao fühlte sich hochgehoben, mit einer Kraft, der er nichts entgegenzusetzen hatte.
    »Hör mir gut zu!«, fauchte der Stellvertreter. »Ich werde kein weiteres Widerwort dulden. Du wirst deine Siebenergruppe auf den Kampf vorbereiten und die wichtigen Episteln durchgehen. Die vorderen, die hinteren. Du wirst deine Weiber nicht mit altbackenen Theorien verwirren. Alles, was zählt, ist der Gehorsam. Hast du mich verstanden?«
    »Ja. Ich habe dich verstanden«, sagte Chimao mit monotoner Stimme.
    »Ich muss mich nicht mehr darum sorgen, dass du Unsinn anstellst?«
    »Nein, Stellvertreter.«
    »Ich kann dich nun allein lassen und mich um andere Siebenergruppen kümmern?«
    »Ja, Stellvertreter.« Er legte die Ohren eng an als Zeichen der Ehrerbietung.
    Pirlo Mnacem ließ ihn los, Chimao plumpste auf den Boden zurück.
    Sein Gegenüber beruhigte sich rasch wieder, glitt in das Ogokaria, den Normalzustand, und verließ die Wohnkaverne, um vornübergebeugt

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