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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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vergangen. Funkverkehr zu weiteren Feindschiffen wurde durch Störstrahlen eingeschränkt. Jene Zapfenraumer, die sich noch gegen ihr Schicksal wehrten, versuchten, sich zu einem größeren Verband zusammenzufinden. Doch die Dosanthi auf terranischer Seite wussten diese Bemühungen zu unterbinden. Das Chaos, das sie verursachten, führte zum Untergang dieses ersten Verbandes.
    »Möchtest du sehen, wie sie es machen?«, fragte der Xylthe. Er hatte sich vorgebeugt und hielt die flache Nase nach oben, als wollte er einen ganz bestimmten Geruch erschnüffeln.
    »Lieber nicht. Ich ...«
    ... ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, diesen Wesen beim Töten zuzusehen, wollte er sagen. Doch es war zu spät.
    Der Xylthe hatte eine Bildleitung freigegeben, die den Wohn- und Lebensbereich der Dosanthi zeigte. Die Kamera fuhr unbelebte Gänge entlang. Da und dort zeigten sich rote Flecken an den Wänden. Es ging vorwärts bis hin zu Kavernen, in denen die Dosanthi die meiste Zeit ihrer Existenz hingen, wie nacht- und dämmerungsaktive Geckos. Die Plätze waren leer. Moos klebte an den Wänden, an der Decke und an manchen Bereichen des Bodens. Roboter reinigten die Kavernen von irgendwelchen Rückständen. Bull hatte keine Zeit, sich genauer umzusehen, denn schon raste die Kamera weiter, schoss im Zickzack durchs Schiff.
    Bis sie in einen weitgehend abgedunkelten Bereich gelangte. Einige Dosanthi standen dort aufrecht. Sie seufzten und schnauften laut, die Oberkörper waren weit erhoben. Die seltsamen Linsenaugen waren gegen die Decke gerichtet. Sie schlugen mit den Händen gegeneinander, immer wieder, schleiften mit den langen Armen über den Boden, ließen den Körper wie resignierend weit vornüberfallen und reckten ihn dann wieder hoch.
    »Das sind der Anführer und seine Stellvertreter«, erklärte Glaudak. »Sie gehen vorerst nicht in die Kammern der Beschaulichkeit, sondern warten vor den Toren, um regulierend einzugreifen, sollte ein Siebenergefüge kollabieren. – Und das geschieht oft genug.«
    Nur wenige Lichtminuten voraus zerplatzten Schiffe und starben Wesen zu Tausenden. Die kleine Flotte QIN SHIS wurde völlig aufgerieben. Sechs feindliche Schiffe suchten verzweifelt nach einem Ausweg aus der Falle, in die sie geraten waren.
    »Die Kammern der Beschaulichkeit?«, hakte Bull nach. Er wandte sich wieder den Bildern aus dem Inneren eines Zapfenraumers zu. Er fühlte Widerwillen, aber auch Interesse. Diese Aufnahmen waren unendlich wertvoll. Sie gaben ihm einen Einblick in das soziale Verhalten der Dosanthi.
    Glaudak hatte sich abgewendet. Er besprach sich ruhig mit anderen xylthischen Offizieren, als ginge ihn weder der Fortgang der Schlacht etwas an noch jene Impressionen aus dem Zapfenraumer, die er für Bull einfangen ließ.
    Die fliegende Kamera huschte durch ein Loch neben einem Schott. Es wurde für einen Moment dunkel, dann flammte unvermittelt grelles Licht auf, aus dem Boden, aus den Wänden, aus der Decke. Es war kalt, leuchtete bläulich und badete sechs – nein, sieben – Dosanthi, die im Zentrum des Raumes von stählernen Klammern zusammengefasst worden waren. Sie klebten aneinander. Es war ihnen anzusehen, wie sehr sie diesen Zustand hassten, wie sehr sie dagegen aufbegehrten. Sie wollten sich bewegen und sich befreien. Sie drängelten und schoben und schrien und wollten weg. Jammerten. Seufzten. Litten.
    Ein einziges feindliches Schiff war noch übrig. Es unternahm einen letzten Ausreißversuch, nur vom Intellekt des Bordgehirns gesteuert. Die Besatzung stand im Bann jener Wesen, die Bull vor sich sah: Dosanthi, die in einen psychischen Ausnahmezustand gedrängt wurden und ihre Wut hinausschrien. Wut, die aus Hilflosigkeit herrührte.
    »Stellt das ab!«, verlangte Bull. Er schloss die Augen, doch die Bilder wollten nicht vergehen.
    Sie hatten sich eingebrannt. Dosanthi, gegen ihren Trieb in Bündeln zusammengefasst, geifernd und sich windend. Gezwungen, ihre Emotionen irgendwohin abzustrahlen. Auf ein Feindbild, das ihnen über etliche Holos vorgespiegelt wurde. Dieses Feindbild waren ihre ehemaligen Partner und Verbündeten, sogar Mitglieder ihres eigenen Volkes, doch das war den in Panik versetzten Dosanthi einerlei. Sie konnten gar nicht anders, als all das, woran sie litten, auf andere Lebewesen abzuladen. Sie fügten Schmerz zu, weil sie hassten, und sie hassten, weil sie Angst hatten.
    Es war eine Assoziationskette, die Bull bislang nicht verstanden hatte. Plötzlich ergab sie Sinn. Man

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