PR 2700 – Der Techno-Mond
technologische Zeitenwenden begründete. Seit Jahrtausenden waren die raumfahrenden Völker daran gewöhnt, dass man, um in den Hyperraum oder wenigstens in den Linearraum zu gelangen – die viereinhalbte Dimension , wie man bisweilen sagte –, vor allem und in erster Linie schnell sein musste. Mindestens fünfzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit, besser aber neunzig Prozent brauchte man, um mit einem einigermaßen vernünftigen Energieaufwand durch den Hyperraum zu transitieren. Linearflüge verlangten immer noch eine Eintrittsgeschwindigkeit von etwa halber Lichtgeschwindigkeit.
Der Hypertrans-Progressor dagegen bewältigte den Übergang in den Hyperraum aus dem Stand!
Das war zwar nicht das konstruktive Ziel gewesen, sondern nur ein Nebeneffekt, aber der war es, der die STARDIVER für diesen Versuchsflug prädestinierte. Grundlage des Ganzen war eine modifizierte Paratronblase, die Transferblase, die von den beiden unirdisch blau schimmernden Spindeln am Bug und Heck abgestrahlt und rings um das Schiff projiziert wurde. Wurde diese Blase aufgebaut, wurde das Raumschiff in den Hyperraum versetzt, ohne dass so etwas wie eine Mindestgeschwindigkeit erforderlich war.
Diesen Übergang bezeichneten Fionn Kemeny und seine Assistenten als »stationäre Phase der Hypertransit-Progression«. Von da aus ging man in die »dynamische Phase« über, was auf gut Interkosmo so viel hieß wie: Man schaltete den Hyperschub ein und flog drauflos.
Es war noch völlig unklar, welcher Überlichtfaktor sich auf diese Weise maximal erzielen ließ. Was man wusste – das ergab sich auch aus der zugrunde liegenden Mathematik –, war, dass der Überlichtfaktor innerhalb einer Galaxis nicht besonders hoch war. Nicht schlechter als der herkömmlicher Linearantriebe, aber jedenfalls den Aufwand nicht wert.
Außerhalb einer Galaxis jedoch ...
Es sah gleich anders aus, wenn man sich aus dem Schwerkraftfeld einer Galaxis entfernte. Zwar hatte man das noch nicht ausprobiert, nur die Ergebnisse der bisherigen Testflüge hochgerechnet, aber man war dabei auf Zahlen gekommen, die Sichu Dorksteiger und ihr Team nahezu euphorisch hatten werden lassen. Wenn sich die Schätzungen nur ansatzweise bewahrheiteten, war der Hypertrans die Hoffnung für intergalaktische Raumflüge schlechthin.
Doch darauf kam es an diesem Tag nicht an. Heute zählte nur, wozu der Hypertrans-Progressor am unteren Ende der Skala imstande war.
Auch dabei war nämlich das Einzigartige, dass so gut wie jede Geschwindigkeit möglich zu sein schien, nicht nur wie bei den bisherigen Überlichtantrieben, solche höher als Lichtgeschwindigkeit. Mit dem Hypertrans-Antrieb konnte ein Schiff ohne Weiteres mit nur wenigen Metern pro Sekunde dahinschleichen. Theoretisch musste es möglich sein, ein Ziel im Standarduniversum auf den Meter genau anzufliegen und sich seiner Eigengeschwindigkeit haargenau anzupassen, ehe man wieder rematerialisierte.
Das war es, was sie versuchen würden: Sie würden in der Deckung des sich formierenden Raumverbandes in den Hyperraum wechseln, sich dann mit verhältnismäßig geringer Geschwindigkeit dem Mond nähern, dabei den Repulsor-Wall passieren ...
Falls das möglich war. Ob sich die Blockadewirkung auch im Hyperraum bemerkbar machte, blieb abzuwarten.
Aber falls ... dann würde sich die STARDIVER der Eigengeschwindigkeit Lunas anpassen und punktgenau schwebend direkt über der Oberfläche der Technokruste wieder materialisieren.
So weit die Theorie. Die Praxis würde zweifellos ein paar mehr oder weniger erfreuliche Überraschungen bringen.
Oder in die Katastrophe führen. Darauf mussten sie gefasst sein.
Absehbar war auf alle Fälle, dass der Hypertrans-Antrieb die allgemeine Raumfahrt trotz seiner unerhörten technischen Eigenschaften nicht revolutionieren würde. Das lag an zwei Nachteilen, von denen noch nicht klar war, welcher sich auf Dauer als gravierender erweisen würde.
Der erste Nachteil war, dass man zur Erstellung der Transferblase Salkrit benötigte, den edelsten aller bekannten Hyperkristalle, den man in der Milchstraße bislang nur an einem einzigen Ort gefunden hatte: im Goldenen System innerhalb der nahezu unzugänglichen Charon-Wolke in der Nähe des Milchstraßenzentrums. Salkrit verursachte auf natürliche Weise Verzerrungen der Raum-Zeit-Struktur – aber es war ungeheuer selten, sagenhaft schwer zu gewinnen, haarsträubend aufwendig zu verarbeiten und machte deshalb alle darauf aufbauenden Technologien
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