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PR 2700 – Der Techno-Mond

PR 2700 – Der Techno-Mond

Titel: PR 2700 – Der Techno-Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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langen Rekonvaleszenzphase – wieder ganz der Alte ist. Es könnte auch sein, dass er erwacht, aber sämtliche Parakräfte verloren hat.«
    »Das würde ihn schwer treffen, fürchte ich«, sagte Rhodan.
    »Und schließlich«, fuhr der Mediker fort, als habe er den Einwurf gar nicht gehört, »könnte es sein, dass er mit anderen Kräften erwacht als denen, über die er früher verfügte.«
    Rhodan stutzte. »Das ist denkbar?«
    »Alles ist denkbar. Bei dem, was wir Parafähigkeiten nennen, handelt es sich letzten Endes um nichts anderes als um Wechselwirkungen zwischen der mentalen und der realen Dimension des Multiversums. Verändert sich die mentale Konfiguration, kann sich auch die Art der Wechselwirkung mit der Realität verändern.« Bouring hob die Hände, ließ sie wieder fallen. »Und Gucky verfügt bekanntlich über eine enorme paramentale Potenz. Denkbar, dass er Parafähigkeiten gewinnt, mit denen wir es noch nie zu tun hatten.«
    Rhodan sah auf den schmächtigen, bepelzten Leib in dem Medotank hinab. Am liebsten wäre mir, du kämest zurück und wärst wieder genau so, wie ich dich kenne, dachte er.
    Aber ein dumpfes Vorgefühl sagte ihm, dass die Sache so einfach nicht ausgehen würde.
    Bouring sah auf die Uhr. »Weitere Neuigkeiten habe ich leider nicht. Wenn du keine Fragen mehr hast, würde ich ... Also, nicht dass ich drängen wollte, aber es warten Patienten auf mich, für die ich ein bisschen mehr tun kann als ...«
    »Schon gut«, sagte Rhodan. »Ich ... werde hier nur noch einen Moment sitzen und dann auch gehen.«
    »Wir tun für ihn, was wir können«, versicherte ihm Bouring. »Ich meine ... unter den Pflegekräften ist, glaube ich, niemand, der nicht als Kind einen Plüsch-Gucky gehabt hätte, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Rhodan nickte stumm. Ja. Gucky war mehr als ein Freund, mehr als ein mächtiger Verbündeter der Menschheit – er war auch eine Symbolfigur.
    Eine Legende mit einem Wort. Mehr als jeder andere aus dem Kreis der Zellaktivatorträger.
    »Ich weiß«, sagte Rhodan. »Ich weiß, dass ihr tut, was möglich ist.« Er nickte dem Mediker zu. »Und dass er nicht euer einziger Patient ist.«
    »Wenn du morgen kommst, werde ich vielleicht ...«
    »Morgen werde ich nicht kommen«, sagte Rhodan rasch. »Wahrscheinlich eine ganze Weile nicht.«
    »Oh.« Bouring nickte, schien zu verstehen, dass es Dinge gab, von denen Rhodan ihm nichts erzählen konnte. »Nun ja, ich denke, es eilt nicht.«
    Endlich verabschiedete er sich und ging.
    Rhodan sank zurück auf den pastellgrünen, unbequemen Stuhl, musterte Guckys regloses Gesicht, die geschlossenen Augen, den halb offenen Mund, die schlaff herunterhängenden großen Ohren. Morgen, dachte Rhodan, seine Gedanken so intensiv wie möglich auf den Mausbiber bündelnd, ist die Reihe an mir. Morgen versuche ich, zum Mond durchzustoßen. Drück mir die Daumen, dass ich mehr Glück habe.
    Dann saß er da, versuchte, nichts zu denken, nur zu lauschen. Man hatte ihm immer mal wieder schwache, sehr schwache, kaum der Rede werte Parafähigkeiten attestiert, mit denen er auch noch nie viel hatte anfangen können – aber es hatte Momente in seinem Leben gegeben, in denen er imstande gewesen war, gerichtete Gedanken anderer aufzufangen. Oder es sich zumindest einzubilden, dass er es tat.
    Doch er empfing nichts, spürte nichts, hörte nichts. Gucky blieb stumm, ließ weder Zustimmung noch Ablehnung erkennen, noch sonst irgendeine Reaktion.
    Ich tue es auch für dich, schickte Rhodan hinterher, dann stand er auf und ging.
     
    *
     
    Als er aus dem Haupteingang des Verwaltungsgebäudes trat, erscholl ein dunkler, tiefer Gongschlag, der direkt aus dem Himmel über Terrania City zu kommen schien.
    Der Umbrische Gong. Rhodan blieb stehen, lauschte dem ergreifenden Ton, der an die von den Sayporanern vor 45 Jahren entführten und umformatierten Jugendlichen erinnerte. Er wurde jeden Abend geschlagen, etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, und war im Lauf der Jahre so etwas wie ein neues akustisches Wahrzeichen der Stadt geworden: ein tiefer, wehmütiger Klang, der niemanden, der ihm lauschte, unberührt ließ.
    Rhodan dachte an die Mission, die ihm bevorstand, und die Risiken, die damit verbunden waren. Hatte er alles erledigt, was noch zu erledigen gewesen war? Hatte er alles geregelt, was im Fall der Fälle geregelt zu hinterlassen war?
    Ja. Und nein. Man konnte dreitausend Jahre lang leben und trotzdem jede Menge unerledigte Dinge

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