PR 2706 – Sternengrab
umgesetzt wird. Im Zweifelsfall steht sogar eine Abkopplung der JV-1 im Raum. Lass überprüfen, wie viele und welche Bordmitglieder seit der Gefangennahme des Marshalls in den Mittelteil oder in die JV-2 gewechselt sind.«
»Verstanden.«
»Bull – Ende.« Er desaktivierte den Armbandkom. Er wollte sich auf seinen zweiten Besuch binnen kürzester Zeit beim Onryonen konzentrieren.
Hatte er zu spät die Initiative ergriffen, hatte er zu lange gezögert?
Er wusste es nicht zu sagen. Sie hatten nach wie vor keine Ahnung, ob es sich bei der Häufung der Krankheitsfälle um die Folgen einer Epidemie handelte, und schon gar nicht, auf welche Weise mögliche Sporen, Viren oder Bakterien das Schiff eroberten.
Oder war er paranoid? Beunruhigte ihn die Selbstsicherheit des Onryonen so sehr, dass er bei einer noch nicht sonderlich markanten Häufung von stressbedingten Symptomen an das Schlimmste glaubte?
Nein. Er tat gut daran, rasch und konsequent zu handeln. Die Leute an Bord der JULES VERNE waren handverlesen. Sie würden nicht einfach so zu schreien und zu toben beginnen oder sich wegen kleiner Wehwehchen krankmelden.
*
Das Schott zum Vorraum des isolierten Raumes, in dem Caileec Maltynouc festgesetzt worden war, öffnete sich.
Barber blieb zurück, die beiden Angehörigen des Sicherheitsdienstes musterten Bull geschäftsmäßig. Sie kontrollierten ihn schweigend. Auch für ihn galten keine Ausnahmen. Er musste die üblichen Checks durchlaufen, bevor sie ihn zu dem Onryonen vorließen. Der Mann galt als Hochrisiko-Faktor, die Sicherheitsvorkehrungen waren entsprechend hoch.
»Ist etwas Besonderes vorgefallen?«, fragte Bull.
»Nein«, antwortete einer der beiden Männer.
»Seid ihr müde? Soll ich euch ablösen lassen?«
»Nein.«
Bull erhielt lediglich einsilbige Antworten, die beiden Terraner taten konzentriert ihre Arbeit. Einer von ihnen, der Größere, wirkte müde. Er kniff die Augen zusammen, als empfände er Schmerzen. Der Unsterbliche beschloss, unmittelbar nach dem Gespräch mit Maltynouc eine Ablösung des Mannes anzuordnen.
Die Untersuchungen nahmen fünf Minuten in Anspruch, dann ließ man ihn zu dem Onryonen vor. Der wartete bereits am Tisch und blickte Bull erwartungsvoll entgegen. Es roch nach Holunderblüten.
Woher wusste Maltynouc, dass er ihn besuchen würde? Eben noch hatte er auf seinem Bett gelegen ...
Bull schwieg. Er würde sich keine Blöße geben. Er setzte sich ebenfalls und nickte seinem Gegenüber zu.
»Bist du gekommen, um mir endlich die Befehlsgewalt über die JULES VERNE zu übertragen?«, fragte der Marshall.
»Mach dich nicht lächerlich!« Bull grinste, wenngleich es ihm angesichts der Lage an Bord schwerfiel. »Sag mir lieber, wie du das angestellt hast.«
»Ich weiß nicht, was du meinst ...«
»Ich habe keine Lust auf Spielchen, Onryone!« Bull hieb auf den Tisch, nun nicht mehr lächelnd. »Ich möchte Antworten, und zwar rasch!«
Maltynouc sandte Geruchswolken aus, die an geröstete Zwiebeln erinnerten. Sein Gesicht verfärbte sich, ebenso das Emot. »Du wirst mir das Schiff binnen weniger Stunden übergeben, Reginald Bull. Entweder tust du es freiwillig, oder die Umstände werden dich dazu zwingen. Und jetzt möchte ich nicht länger von dir gestört werden. Du darfst erst wieder kommen, wenn die Übergabebedingungen verhandelt werden sollen. Guten Tag!«
Bull schwieg eine Weile. Er war fassungslos angesichts der Impertinenz, mit der sein Gegenüber Forderungen stellte und ihn in die Enge zu drängen versuchte. »Wenn du nicht mit mir reden möchtest, werden sich ... Spezialisten an dir versuchen. Glaub bloß nicht, dass ich bluffe. Ich habe keine sonderlich gute Laune und erst recht keine Lust auf Spielchen.«
»Ach, du bist so leicht zu durchschauen! Soll ich etwa annehmen, dass mich deine Leute einer hochnotpeinlichen Befragung unterziehen? Wenn ich doch der Einzige bin, der dir derzeit zu helfen vermag? Wie wird das sein, wenn Terraner, Ferronen oder Plophoser sterben, wenn es rings um dich immer stiller wird und zum Schluss nur noch du übrig bist? – Aber du benötigst wohl ein wenig Zeit zum Nachdenken, bevor du zu einer Entscheidung findest.« Maltynouc stand auf, begab sich zu seiner Liege und legte sich darauf, um wieder gegen die Decke zu starren, wie er es bereits zuvor getan hatte.
Er versucht es also mit Psychospielchen. Das kann er gern haben. Trotzdem ist es schade, dass Atlan nicht hier ist. Er hätte seine Freude mit einem
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