PR Action 13 Die Trümmerwelt
Silmi war nicht Run. Keil hatte es Tanisha einmal gesagt, in einer langen schlaflosen Nacht, in der er sich nach seiner toten Gefährtin gesehnt und in der er sich immer wieder vorgeworfen hatte, dass er sie hatte alleine gehen lassen. Tanisha war zu ihm gekommen, um ihn zu trösten und um selbst Trost zu finden.
»Sei nicht zu hart zu ihr«, hatte Keil ihr gesagt, »es ist zu viel für sie. Ihre Schwester ist tot, und jeder erwartet von ihr, dass sie wie Run ist. Aber Silmi ist nicht wie Run. Run hat keine Angst gekannt, Silmi kennt mehr Ängste, als man zählen kann. Run konnte loslassen. Sie konnte das Gestern vergessen, um im Heute zu bestehen und ein besseres Morgen zu erschaffen. Silmi klebt an der Vergangenheit fest.«
Ja, das war es. Ihre Mutter klebte fest. Zu fest, als dass Tanisha sie hätte losreißen können.
Der Fahrer nahm sie den ganzen Weg nach Tarkal mit. Sie kamen nur langsam voran. Der Schrottsammler war schwer beladen und altersschwach, die Straße eine Abfolge von Schlaglöchern, selbst dann noch, als sie die Nähe der Hauptstadt erreichten.
Der Fahrer teilte sein Essen mit ihr und leistete ihr Gesellschaft, auch wenn er selten etwas sagte. Anfangs war es Tanisha recht. Sie war davongelaufen. Sie wollte diesen Mann, der so gut zu ihr war, nicht belügen. Und die Wahrheit zu sagen, kam nicht in Frage. Tanisha wollte sich nicht vorstellen, was dann passierte.
Doch nach einer Weile störte sie die Schweigsamkeit des Fahrers. Sie rannte weg! Sie; Tanisha Khabir, beinahe elf terranische Jahre alt. Sie rannte einfach weg, ließ alles zurück, was ihr Leben ausmachte. Sie war besonders. Sie besaß eine Gabe. Sie konnte springen. Von einem Ort zum ändern. Über Kilometer hinweg. Sie musste nur ... Ihr stockte der Atem, wenn sie daran dachte, was sie war und was sie sich getraute. Und dieser alte
Mann? Er hatte sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt!
Als sie am vierten Tag Tarkal erreichten, musste sich Tanisha zusammenreißen, um ihm die Wahrheit nicht ins Gesicht zu brüllen.
Die Hauptstadt erwies sich als Enttäuschung. Tanisha war Verwüstung gewohnt, sie war damit aufgewachsen. Das Lager der Minenhunde rückte dem Verlauf der Grenze nach, wurde stets in frisch gesäuberten Gebieten errichtet, wo es wenig anderes als Trümmer gab.
Tarkal dagegen ... die Hauptstadt schien ihr nicht anders als ein verwüstetes Dorf, nur dass es größer war. Viel größer sogar, denn die Stadt schien kein Ende nehmen zu wollen, als der Schrottsammler durch die Straßen rumpelte.
An einer Straßenecke zwischen den Trümmern hielt der Fahrer an. Er zeigte nach Süden, wo am Horizont Umrisse zu erkennen waren, die an große Gebäude erinnerten.
»Bis hierher kann ich dich bringen«, sagte er. »Dort drüben findest du, was du suchst.«
»Woher wissen Sie, dass ich zum Raumha...?«
»Es steht dir ins Gesicht geschrieben, Kind.« Er räusperte sich, um den Staub der Stadt aus dem Hals zu bekommen. »Ich wünsche dir viel Glück. Ich hoffe, du findest, was du suchst.«
»Aber ich ...« Tanisha öffnete ihren Rucksack, suchte darin und fand das Geld, das sie gestohlen hatte. Sie nahm einen Schein von dem Bündel und hielt ihn dem Fahrer hin.
Er nahm es nicht. »Das ist nicht nötig, behalt dein Geld.«
»Aber ich habe von Ihrem Essen gegessen!«
»Ich will dein Geld nicht.«
»Warum nicht? Sie haben mir geholfen.« Tanisha verstand nicht, was los war. Erwachsene gaben einander ständig Geld. Was war los?
»Ich habe dir geholfen, weil ich es wollte.« »Wieso?« »Weil du mich an jemanden erinnerst, den ich einmal kannte.« Tränen traten in seine Augen. »Und jetzt raus mit dir, bevor ich es mir anders überlege und dich zur Polizei bringe!«
Seine Heftigkeit traf Tanisha wie ein Schlag. Sie sprang aus dem Führerhaus und sah zitternd zu, wie der Schrottsammler davonfuhr.
Nachdem er zwischen den Trümmern verschwunden war, machte sie sich auf den Weg zum Raumhafen. Sie rannte beinahe. Tarkal war ihr unheimlich. Die Hauptstadt war nicht ihre Welt. Sie gehörte nicht hierher. Tanisha spürte es. Und die Leute der Stadt taten es auch: Sie hörten auf, Trümmer zu klopfen, wenn sie vorbeikam, und sahen ihr schweigend nach.
Sie können dir nichts tun, niemand kann dir etwas tun!, sagte sich Tanisha. Ein Gedanke und du bist weg! Du bist wieder zu Hause!
*
Der Raumhafen war eine noch größere Enttäuschung als die Stadt. Die Schiffe, die sie aus der Ferne gesehen hatte und die sie weg von Tarkalon
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