PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
zerstören zu dürfen genügte ihnen.
Takegath hatte genug. Er hatte nie davor zurückgeschreckt, Leben zu
nehmen. Aber er wollte es für seine eigenen Zwecke tun.
Er wandte sich an Inahin. »Bist du bereit?«
Der Bruder machte eine zustimmende Geste. Takegath überprüfte die Ausrüstung, warf einen letzten Blick auf die Orter und trat an die Wand.
Der nächste Schritt konnte sein letzter sein. Die Scharfschützen der Gi-lantir besaßen unerschütterliche Geduld. Sie konzentrierten sich auf eine Stelle des Grabensystems, warteten notfalls tagelang, bis ein Unvorsichtiger den Kopf oder ein Gliedmaß herausstreckte - und drückten ab. Die Zahl der Schützen war in den vergangenen Tagen mit dem Radius des Belagerungsrings zusammengeschmolzen, ebenso wie der Einschließungsring, aber wenn das Schicksal es wollte ... Takegath schüttelte den Gedanken ab. Er zog den Tod dieser Unsterblichkeit vor.
»Auf vier!«
Takegath verfolgte, wie Inahins Lippen lautlos die Zahlen formten. Als seine dünnen Lippen sich das letzte Mal schlossen, zog er sich mit aller Kraft über den Grabenrand, drückte sich augenblicklich wieder auf den schlammigen Boden und rollte in einen halb mit Wasser gefüllten Explosionstrichter. Ein leises Platschen, gefolgt von einem Stoß in die Seite, zeigte ihm an, dass Inahin neben ihm in den Trichter geschlüpft war.
Mit angehaltenem Atem wartete Takegath einige Augenblicke lang auf das Heulen einer herabstürzenden Granate, aber es blieb aus.
Vorerst.
Die Brüder hatten die Schutzschirme nicht aktiviert. Bereits unmittelbar nach der Landung auf dem Planeten hatte sich gezeigt, dass die Gilantir es trotz ihrer Rückständigkeit verstanden, die Schirme der Gy Enäi zu durchschlagen. Ein Zufall aller Wahrscheinlichkeit nach, eine technologische Absonderlichkeit - doch Takegath fand Gefallen an dem Gedanken, dass es hoch entwickelte Wesen geben könnte, die sich mittels eines subtilen Technologietranfers seinem Meister entgegenstellten. Er spendete ihm Hoffnung, dass es für ihn und seinen Bruder noch ein anderes Leben als dieses hier gab.
Im Gefecht mit den Gilantir musste jeder Kopfjäger wählen. Aktivierte er den Schirm, war er zumindest vor der Sekundärwirkung in seiner Nähe einschlagender Geschosse geschützt. Andererseits erhöhte er das Risiko, von den Gilantir ausgemacht zu werden: Wer imstande war, Schutzschirme zu durchschlagen, musste auch über die Mittel verfügen, sie aufzuspüren.
Takegath musterte die Holodarstellung seines in den Anzug integrierten Gefechtssystems. Am unteren Rand verlief eine gezackte Linie, die vorderste Stellung der Gy Enäi. Von dort hatten sie vorerst nichts zu befürchten. Nicht, solange keiner der Kopfjäger die Nerven verlor und blind in das Niemandsland feuerte - was allerdings mit einer gewissen Regelmäßigkeit geschah. Die Unsterblichkeit machte viele der Gy Enäi nervös, sie glaubten, so viel mehr zu verlieren zu haben als gewöhnliche Wesen, dass sie lieber auf Nummer Sicher gingen.
Ein handbreiter Streifen schloss sich an die gezackte Linie an. Aus dem Orange stachen hier und da Symbole heraus: Vorposten der Gilantir, Sprengfallen und Blindgänger. Auf das Orange folgte eine weitere gezackte Linie, allerdings an vielen Stellen unterbrochen und merkwürdig unscharf. Die Stellung der Gilantir, so gut die Kopfjäger sie hatten erkunden können. Leptir'ka hatte den Einsatz von Robotsonden verboten, weil es den Trainingseffekt verdorben hätte. »Oh, und wenn wir gerade dabei sind«, hatte er den Kopfjäger angeherrscht, der um den Einsatz von Spür-sonden gebeten hatte, »wieso löschen wir nicht ihre ganze Stellung mit den Bordkanonen aus? Oder noch besser gleich den ganzen Planeten?«
Am oberen Rand des Holos sah Takegath große Rechtecke, die wie Bauklötze über die Oberfläche verteilt waren. Es waren die Bunkeranlagen der Gilantir. Ursprünglich viele Meter tief verborgen, hatte der mehrtägige Beschuss der Kopfjäger die Regierungsgebäude über ihnen abgetragen und pulverisiert.
Die Bunker waren ihr Ziel.
Die Bunker und dann .
»Keine Gilantir in unmittelbarer Nähe«, flüsterte Inahin, der die Orteranzeige zugeschaltet hatte.
»Dann los!«
Die Brüder krochen zum Rand des Explosionstrichters. Ihre Helme schlossen sich automatisch, die Positronik projizierte auf die gesamte Helmfläche eine restlichtverstärkte Darstellung ihrer Umgebung. Nur ein leichter Grünstich verriet den Brüdern, dass sie sich nicht im Tageslicht bewegten.
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