Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
Vom Netzwerk:
Takegaths Verstand wusste, dass dem nicht so war, aber konnte das Gefühl, schutzlos den Blicken anderer ausgeliefert zu sein, nur schwer abschütteln.
    Einige Minuten lang arbeiteten sich die Männer von Trichter zu Trichter. Immer wieder stießen sie auf Leichen von Gilantir. Ihre gedrungenen Körper mit den kurzen Gliedmaßen lagen in unmöglichen Winkeln auf dem Boden, manche waren teilweise im Schlamm versunken.
    Takegaths Muskeln begannen zu schmerzen. Der ungewohnte Kriechgang belastete seine langen Beine, ein Wadenkrampf drohte seinen linken Unterschenkel zu erfassen.
    Takegath stellte sich das verächtliche Grinsen Leptir'kas vor. Die Brüder waren die Einzigen unter den Kopfjägern, deren Körper unmodifiziert geblieben waren. Argumente für das Upgrade in einen Cyborg gab es im Übermaß: Die Unsterblichen waren gezwungen, fortlaufend neue Kämpfe zu bestehen, von denen jeder der letzte sein konnte. Was lag also näher, als sich gegen jede denkbare oder undenkbare Gefahr buchstäblich zu stählen? Und selbst der Kopfjäger, der sich gegen diese Logik sperrte, fiel für gewöhnlich einem schleichenden Prozess der Umwandlung zum Opfer. Eine schwere Verletzung führte einem vor Augen, wie wertvoll und zugleich flüchtig die eigene Existenz trotz der potentiellen Unsterblichkeit war. Und da man ohnehin gerade auf dem Operationstisch von AMBULANZ lag, konnte man doch die eine oder andere Optimierung einfach mitnehmen .
    Nicht so die beiden Brüder. Takegath konnte den Gedanken an fremde Komponenten, Maschinenteile, in seinem Körper nicht ertragen. Sein Körper zählte zu den wenigen Dingen, die ihm von seinem früheren Leben geblieben waren. Der Blick in den Spiegel, auf die wächserne, rosa Gesichtshaut, die kreisrunden, wimpernlosen Augen, die vielen Öffnungen seiner Nase, sorgte dafür, dass er hier, viele Millionen Lichtjahre und Jahrhunderte von seiner Heimat entfernt, nicht vergaß, wer er eigentlich war.
    Takegath spürte, sollte er Modifikationen zulassen, würde er unwiderruflich ein Gy Enäi werden.
    Ein helles Summen ertönte neben ihm. Ein unsichtbarer Strahlenfinger löste sich aus Inahins Waffe und erfasste Kopf und Oberkörper eines Gilantir, der aus einem kaum wahrnehmbaren Loch ragte.
    »Scharfschütze«, flüsterte Inahin. Als nach einigen Sekunden immer noch Ruhe im Niemandsland herrschte, fügte er hinzu: »Wir haben Glück. Scheint ein Einzelgänger gewesen zu sein.«
    Takegath machte eine zustimmende Geste und kroch weiter. Überraschung. Sie war ihre einzige Chance in dieser Nacht. Die Übermacht der Gegner, aller Gegner war zu groß. Aber Takegath war zuversichtlich, dass ihnen dieser Vorteil bleiben würde. Die Gilantir würden niemals damit rechnen, das lediglich zwei ihrer so aufs Überleben versessenen Feinde mitten in ihre Stellung kriechen würden. Und Leptir'ka - der Kommandant konnte nicht ahnen, was sie planten, selbst wenn er in der Zwischenzeit vom Verlust der Phiolen erfahren haben sollte. Ihr Vorhaben war zu verrückt, zu selbstmörderisch.
    Das Schema des Gefechtssystems klinkte sich in Takegaths Wahrnehmung ein, zeigte ihm an, dass die vermutete vorderste Stellung der Gilantir nur noch wenige Meter vor ihnen lag. Takegath bedeutete dem Bruder, nach links zu kriechen, dann nach vorn. Die beiden rollten im selben Moment in das Grabensystem, die Waffen schussbereit.
    Sie zielten ins Leere.
    Wo waren die Gilantir? Hatten sie ihre Kräfte zusammengezogen, um an anderer Stelle einen Ausbruch zu versuchen? Oder war ihre Zahl bereits so stark geschmolzen, dass sie ihre Stellungen nur noch lückenhaft bemannen konnten?
    Takegath unterzog den Graben einer schnellen Untersuchung, fand aber nur kniehohen Schlamm, Patronenhülsen und leere Konservendosen -nichts, was ihm einen Hinweis gegeben hätte.
    Inahin trat zu ihm.
    »Wir sind gut in der Zeit«, sagte Takegath zu ihm. »Wenn es weiter so reibungslos läuft, sind wir viel früher als geplant dort.«
    »Viel früher?« Der Bruder wirkte beunruhigt.
    »Ja, natürlich. Aber was siehst du so besorgt drein? Je früher, desto besser, nicht wahr?«
    »Schon .es ist nur .«
    »Es ist nur was?« Takegaths Ton war schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Bruder, was hast du?«, fragte er. »Das ist doch der Tag, von dem du so lange geträumt hast!«
    »Ja.« Inahin starrte auf den Boden. »Es ist wegen Kemwerem. Ich habe ihm von unserem Plan erzählt. Er wird uns treffen.«
    Takegaths Puppillen verengten sich ruckartig.

Weitere Kostenlose Bücher