PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
etwas anderes zu sein, als sie sind.«
Die Ansicht wechselte und zeigte wieder die Gesamtheit der Inseln. Auf den meisten prangten jetzt grinsende Smileys.
»Gleich müssten unsere Trojaner sich im ganzen Netz breit gemacht haben«, sagte der Techniker. »Dann wissen wir, wo dein Virth steckt.«
Kurz darauf strahlten ausnahmslos Smileys auf die beiden Terraner herab.
»Und?«, fragte Tess, als Bruno schwieg. »Wo ist er?«
»Hm, dein Virth hat vielleicht komische Ideen, aber eins muss man ihm lassen, er ist kein Stümper.«
»Das heißt?«
»Das heißt, du kannst dich freuen. Ich kann ihn nicht finden. Eine MessStation in Vircho hat zwar einige Augenblicke lang die Ausstrahlung einer Paradrüse aufgefangen, deren Sagh-Quote seiner ähnelt, aber der Zeitraum war zu kurz, um Abschließendes zu sagen. Soweit es das tefrodische Intranet angeht, existiert der Virth nicht.«
»Keine Chance?« Tess entließ langsam die Luft aus den Lungen.
»Man soll nie nie sagen. Aber wenn du mich fragst, nein.« Der Techniker zuckte die Achseln. »Aber das gilt nur für das tefrodische Netz. In die Kommunikationsstrukturen der Gorthazi gibt es für uns bislang kein Eindringen. Sie könnten Markings in diesem Moment genüsslich Gliedmaß um Gliedmaß ausreißen, ohne dass wir je davon erführen.«
Tess wurde schwindlig. Was sollte sie jetzt tun? Die Gorthazi hatten Markings bestimmt längst gefasst und pressten sein Wissen aus ihm heraus. Sie würden die JOURNEE vernichten, sie alle umbringen. Und sie war schuld daran. Sie? Nein, Benjameen! Hätte er sie in der Halle nicht in dieses idiotische Gespräch .
»Wie geht es eigentlich Benjameen?«
»Was?«
Bruno hatte das Holo abgeschaltet und beugte sich zu ihr herüber. Der Techniker war wieder ganz Plaudertasche. »Nun, man sieht euch beide in letzter Zeit so selten zusammen. Dabei seid ihr so ein schönes Paar. Und wenn man ihn trifft ... na ja, er wirkt so bedrückt. Als trüge er eine Riesenlast mit sich rum und wüsste nicht, wohin damit.«
Tess Qumisha erhob sich abrupt. Nicht auch noch das. Ein Beziehungsgespräch mit Bruno Thomkin. Seit Grek-665/ aufgehört hatte, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen, hatte sie geglaubt, dass wenigstens dieser
persönliche Albtraum vorüber sei.
»Benjameen ist eben müde«, sagte sie. »Die Verantwortung lastet auf ihm; es ist nicht leicht, stellvertretender Leiter einer Expedition wie dieser zu sein.« Sie ging zur Tür. »Danke, Bruno. Und gute Nacht!«
Sie trat auf den Korridor. Er war menschenleer, wie üblich, seit die JOURNEE auf Tefrod gelandet war. Die Startbereitschaft machte einen Dreischichtbetrieb notwendig, und wer Freiwache hatte, zog sich in seine Kabine zurück, um seinen Gedanken nachzuhängen oder sich einem medi-kamentenunterstützten Tiefschlaf hinzugeben.
Langsam ging sie den in gedämpftes Licht getauchten Gang entlang. Sie befand sich im Wohnbereich der JOURNEE. Trotz seines verhältnismäßig kleinen Durchmessers von 100 Metern bot der Spürkreuzer seiner Besatzung von knapp 80 Personen ein üppiges Platzangebot. Wer wollte, konnte sich in einen Bereich zurückziehen, in dem er tagelang keiner anderen Seele begegnete. Nur . niemand wollte es. Die Mannschaft drängte sich in einem einzigen Teil der JOURNEE. Viele Besatzungsmitglieder waren sogar dazu übergegangen, sich Kabinen zu teilen, als könnten sie das Gefühl nicht ertragen, allein in einer fremden Galaxis zu sein, Millionen von Lichtjahren und durch eine undurchdringliche temporale Barriere von der Heimat getrennt.
Andere hingegen .
Tess stellte fest, dass sie vor Benjameens Kabine stehen geblieben war. Benjameen, dem sie kein Kind hatte schenken können. Der es von ihr erwartet, es aber nie ausgesprochen hatte. Dessen Wunsch sie jetzt - vielleicht dank des Durchgangs durch die Temporalbarriere! Warum konnte sich Raye nicht endlich melden? - entsprechen konnte. Der ihr, wieder ohne es auszusprechen, bedeutet hatte, dass er eigentlich kein Kind haben wollte. Benjameen, der Mutant, der eine einzigartige Fähigkeit besaß. Benjameen, der einzige Mensch, den sie nie wieder um Hilfe bitten wollte.
Sie berührte den Summer.
»Ja?«
»Benjameen, ich bin's. Lass mich rein.«
Ein überraschter Laut antwortete ihr. Die Tür glitt zurück.
Die Kabine war schmutzig und unaufgeräumt. Kleidungsstücke waren überall auf dem Boden verstreut. Benjameen kauerte mit hängenden Schultern auf dem Bett. Seine Augenwinkel waren gerötet, als hätte er geweint
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