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PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke

PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke

Titel: PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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dem Weg von der Space-Jet zur Unterkunft wahrgenommen, aber jetzt war es deutlich schlimmer. Eine Zeit lang fühlte sie sich wie eine Ertrinkende, die verzweifelt die Luft anhielt und gegen den Atemreflex ankämpfte, bis sie nicht mehr anders konnte, als dem Drang nachzugeben, und in dem Moment tauchte sie vollends ein in eine Welt entfesselter Empfindungen und Gefühle.
    Längst vergessene Erinnerungen brachen in ihr auf.
    Wohlige Wärme hielt sie umfangen. Sie roch diese Wärme, den Duft von Kräuterölen auf der Haut, spürte massierende sanfte Hände und hörte eine Stimme auf sie einreden, deren Klang einen angenehmen Schauder auslöste: Das war die Stimme ihrer Mutter, seit 20
    Jahren vergessen.
    Stahl überlagerte das Bild, das vor Zhanas innerem Auge entstehen wollte. Nackter, kalter Stahl. Dazu Schweiß und polternde Schritte. Raue, befehlsgewohnte Stimmen erklangen. Irgendwo in der Schwärze, die nicht mehr als Silhouetten freigeben wollte, das Summen eines Schottes. Erschöpfung bis zum Äußersten. Hunger, Durst, die Gier nach einem einzigen Stück Brot, dessen starker Geruch Leben verhieß: Erfahrungen wie diese prägten eine Söldnerin.
    Zhana taumelte durch ihr unbekanntes Terrain. Sie starrte in fremde Gesichter, wurde angerempelt, beschimpft, glaubte Aggression und Furcht zu riechen, riss sich los, wenn Hände oder Klauen nach ihr griffen, schlug zurück und hastete endlich durch ruhiger werdende Korridore, ohne Gefühl für die Zeit, die verstrich, getrieben von Gerüchen, die sich stetig veränderten und sie bis ins Mark aufwühlten.
    Sie roch Blut. Verbranntes Fleisch. Das war eine Erinnerung, die sie würgen ließ. Die Waffe in ihrer Hand roch nach Tod, aber sie zitterte nicht einmal. Es war leicht gewesen, das Opfer zu erschießen, obwohl sie in den Augen des Mannes sein Erkennen gesehen hatte, dass seine Flucht zu Ende war. Sie hatte seine Furcht gespürt, seine Panik. Aber dann seine blitzschnelle Bewegung, möglicherweise der Versuch, schneller zu sein als sie. In dem Moment hatte Zhana geschossen, innerlich erstarrt, aber zugleich wissend, dass sie es wieder tun würde...
    Vornübergebeugt stand sie da, schwer atmend, die Hände auf den Oberschenkeln abgestützt, und Nässe quoll aus ihren Augen und rann brennend über die Wangen. Auch unter der Nase hing Schleim, tropfte über ihre Lippen.
    Zhana wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Es war wässriges, leicht rötlich verfärbtes Sekret, das da aus ihrer Nase kam. Sie roch daran, schmeckte Blut und Salz und etwas, das sie als Mineralstoffe identifizierte.
    Ruckartig richtete sie sich auf und schaute sich um. Der Korridor war nur spärlich von einigen Leuchtplatten erhellt. Fünf Meter zu ihrer Rechten bog der Gang ab, links versperrte ein Schott den Weg. Zhana wusste nicht, wo sie sich befand. Sie bezweifelte, dass sie nur die Nähe des medizinischen Sektors erreicht hatte.
    Einem kleinen Eingriff zur Sensibilisierung ihres Riechvermögens hatte sie sich unterzogen. Niemand hatte ihr gesagt, wie sich diese Veränderung und die Fülle der neuen Sinneseindrücke auswirken würden. Zhana verstand nicht alles von den biologischen Vorgängen in ihrem Körper, doch sie nahm an, dass die plötzliche Vervielfachung der Geruchswahrnehmung die Riechnerven überlastet hatte. Und zweifellos war der Hippocampus, der Sitz ihrer Gefühle und Erinnerungen, wie von einer Flutwelle getroffen worden.
    Zhana lehnte sich an die Wand, schloss die Augen und atmete durch den Mund. Mit beiden Händen wischte sie die Nässe aus dem Gesicht. Ihre Maske war nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Sie erschrak, als sie die Zeitanzeige ihres Armbands sah. Mehrere Stunden lang musste sie durch die Trümmerbrücke geirrt sein. Schlaglichtartig entsann sie sich, verbunden mit einer Fülle neuer Geruchseindrücke. Springer, Tefroder, ein Ferrone, Aras. Jeder, dem sie auf ihrem Weg über die Decks begegnet war, hatte ein Aktivitätsmuster hinterlassen, nichts anderes als ein einprägsames Geruchsbild. Ein optisches Bild ließ sich wiedergeben, beschreiben oder nachzeichnen, ein gefühlter Eindruck hingegen, registrierte Zhana, war etwas Besonderes und Individuelles.
    Endlich atmete sie wieder durch die Nase. Zugleich entsann sie sich, warum sie hier war. Sie war dem Geruch von Menschen nachgegangen, den sie erst vage wahrgenommen, der sich aber rasch verstärkt hatte. Diese Menschen hatten eine andere Spur hinterlassen als die Springer und der Ferrone. Es

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