PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
für eine Nacht! Meine Überlegungen sprudelten wie eine Gebirgsquelle, ließen sich nicht abstellen. Wahrscheinlich tat ich besser daran, aufzustehen und mir den Sonnenaufgang über den Hügeln anzuschauen. In der kalten und klaren Atmosphäre von Tramp mußte das Feuer der sterbenden Sonne ein überwältigendes Schauspiel abgeben. Auch die hellsten Milchstraßensterne würden zu sehen sein.
Meine Gedanken schweiften zu Miriam ab. Ich hatte in den vergangenen vier Jahren keine Zeit gefunden, mich mit ihr in Verbindung zu setzen. Nun ja — mir steckte plötzlich ein Frosch im Hals, der sich nicht vertreiben ließ —, möglicherweise kam mir diese Ausrede gerade recht. Dem armen kleinen Astronauten der U. S. Space Force hatte Miriam bei entsprechender Mitgift-Lebensversicherung und der Publicity wegen keinen Korb gegeben, heute, als Perry Rhodans Stellvertreter bei der Dritten Macht, wäre sie wohl wie der Teufel hinter der armen Seele hinter mir hergewesen.
Und Denise! Das mit ihr hatte ich nur als eine kurze, heftige Affäre angesehen. Auf Dauer wäre mir Denise zu anstrengend geworden.
01.28 Uhr. Seufzend walzte ich mich auf die Seite, aber auch das brachte nicht die wahre Erfüllung. Meine eigenen schweren Atemzüge schreckten mich aus dem ersten beginnenden Schlaf auf.
Ich fühlte mich beobachtet. Als wären da irgendwo unsichtbare Augen, deren Blick mir durch und durch fuhr.
»Licht!«, stieß ich seufzend hervor und setzte mich auf. Die Automatik aktivierte eine gedämpfte, der Morgendämmerung entsprechende Helligkeit.
Die Leuchtplatten in der Decke fielen nur bei genauem Hinsehen auf.
War ich krank? Manchmal fragte ich mich, ob ich unter einer Art Verfolgungswahn litt. Begonnen hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, während des Mondflugs. Ebenso gut entsann ich mich an den Greis mit dem chinesischen Ziegenbärtchen und an zwei weitere Vorfälle, in denen ich von einer Sekunde zur anderen geglaubt hatte, jemand stünde plötzlich neben mir.
Bislang hatte ich nicht einmal Perry Rhodan davon erzählt. Das war etwas, das ich mit mir selbst ausmachen mußte. Natürlich würde mir jeder, der von diesen Halluzinationen erfuhr, zu einer umfassenden neurologischen Untersuchung raten. Doch genau davor schreckte ich zurück. Ich hatte mir lange genug den Kopf zerbrochen und mich in fachspezifische medizinische Artikel eingelesen. Im Schrank langen außerdem mindestens fünfhundert auf Mikrofilme verfilmte Seiten einer Abhandlung über »Neurologische Störungen und Bewusstseinstrübungen, bedingt durch Einwirkung kinetischer Kräfte auf Schädelknochen und Hirnhäute«.
Für mich lag die Diagnose bereits auf der Hand. Nervenabrisse oder winzige Blutungen infolge hoher Andruckkräfte. Das Beschleunigungsvermögen der STARDUST war um ein mehrfaches höher gewesen als das früherer Trägerraketen. Dagegen muteten selbst einige hundert Flugstunden in Überschallschnellen Jägern wie ein Kinderspiel an.
Aber ein Reginald Bull zog sich nicht in sein Schneckenhaus zurück, um Dinge auszusitzen, das hatte ich nie getan, sondern auch den unangenehmsten Situationen immer ins Auge geschaut. Alles andere hatte ich mir selbst als Feigheit vorwerfen müssen.
Diesmal war es anders.
Ich war feige.
Ja, verdammt, ich wollte nicht hören, daß einer dieser hochstudierten Neurologen mich am Erdboden festnagelte. »Mr. Bull, Sie riskieren einen lebensbedrohenden Schlaganfall, sobald Sie Ihre perforierte Hirnhaut und die brüchigen Blutgefäße weiterhin unkontrollierbarem Andruck aussetzen.«
»Die arkonidischen Absorber … «
»Wir reden über ein medizinisches Problem, Mr. Bull, nicht über eine angebliche Supertechnik, die jederzeit versagen kann. Es ist Ihre Gesundheit, mit der Sie spielen. Verzichten Sie ab sofort auf weitere Weltraumflüge! Auf der Erde gibt es hinreichend Probleme, für deren Lösung Sie sich einsetzen können. Andernfalls, Mr. Bull, kann ich für ihre Gesundheit nicht garantieren.«
Mein Blick schweifte durch die Kabine — natürlich war ich allein, wie hatte ich das auch anzweifeln können — und blieb wie magnetisch angezogen auf dem Christstollen hängen.
»Gutes Essen ist der Sex des Alters.« Ich erinnerte mich nicht mehr, wer das zu mir gesagt hatte, aber ein wahrer Kern steckte dahinter. Wobei gut und viel sich keineswegs ausschließen mußten.
Ich griff nur nach der abgebrochenen halben Scheibe, damit Perry nicht unbedingt neuen Anlass bekam, mich »Dicker« zu nennen. Momentan
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