PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
vom Zielstern. Richtung galaktisches Zentrum. Geringe Kursabweichung von vier Komma drei Bogensekunden. Die Schäden im Bereich des Schutzschirms sowie der Kompensationskonverter werden in zehn bis zwölf Stunden durch Komplettaustausch der betroffenen Bauteile behoben sein. Wir entfernen uns derzeit mit knapp fünfundachtzig Prozent Lichtgeschwindigkeit von der Doppelsonne. Reparaturteams sind im Begriff, sämtliche Systeme zu prüfen. — Das ist vorerst alles, Sir.«
Aus den veranschlagten zwölf Stunden waren zunächst zwanzig geworden, danach sechsunddreißig. Die Techniker gaben ihr Bestes, aber sie schafften es nicht, die immer neu auftretenden Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen.
Die einzigen an Bord, die diesen Verzögerungen positive Seiten abgewannen, waren unsere Astronomen. Ihre Freischichten fuhren sie auf ein Minimum zurück, gerade genug, um Mahlzeiten einzunehmen oder eine Mütze voll Schlaf zu erhaschen. Für sie war die Zentrumsregion eine Fundgrube mit unaufhörlich Neuem. Allein die Sterne und ihre Planeten im Umkreis von einigen hundert Lichtjahren zu vermessen, zu registrieren und in die weißen Regionen unserer Sternkarten zu übernehmen wäre Arbeit für Jahre gewesen.
Der Anruf aus dem Observatorium erreichte mich in meiner Kabine. Ich hatte geduscht und wollte mich für kurze Zeit aufs Ohr legen. Chefastronom Tangleis blickte bedeutungsvoll vom Monitor herab. »Mister Bull«, begann er, »Sie sollten sich das ansehen!«
Die üppige Sternenfülle erschien wie eine strahlende, unüberwindliche Mauer. Zum Teil standen die Sonnen nicht einmal Lichttage weit auseinander.
Ich ließ den Eindruck auf mich wirken. Er war gigantisch. Unbeschreiblich schön. Als hatte der Schöpfer sein Füllhorn auf einmal ausgeleert. Selbst in Jahrtausenden würden wir Menschen unsere Milchstraße nur bruchstückhaft kennen. Unter diesem Gesichtspunkt gewann die 20.000-Jahre-Frist, die ES der Menschheit gesetzt hatte, eine ganz andere Bedeutung als bisher.
Spontan versuchte ich das vor meinem inneren Auge entstehende Bild zu verdrängen. Es erschien mir nicht nur banal, sondern völlig deplaziert. Doch kein anderer Vergleich hätte meine Empfindungen so wiedergeben können. Die Sahara. Hohe Dünenkämme, von denen der Wind Sandschleier verwehte. Schwerfällig stapfte ich einen Hang hinauf, nur um zu erkennen, daß dahinter neue Dünen lagen, ein neuer Horizont — endlos Sand, wohin ich blickte.
Ich sank auf die Knie und schöpfte mit beiden Händen und schaute zu, wie die goldgelben Körner wie Staub zwischen den Fingern hindurchrieselten. Das wenige, was in meinen Händen zurückblieb, kannten wir bis heute von der Milchstraße. Sie war wie eine der Dünen, nicht einmal eine besonders große. Eine unter Milliarden.
Die Unendlichkeit machte schaudern. Und ehrfürchtig.
Ich glaube, erst in dem Moment konnte ich wirklich ermessen, welche Empfindungen Perry Rhodan bewegt hatten, als der Unsterbliche von Wanderer ihn auf die Reise zum Barkon-System mitgenommen hatte. Die Sonne mit ihren Planeten war vor einer Million Jahren aus der Milchstraße herausgerissen worden. In einer Vision hatte Perry den Planeten Barkon und seine Bewohner sterben sehen, als sie versucht hatten, ihre Welt zurück in die Galaxis zu bringen. Nur ein winziger Fehler war für das Scheitern ihres Vorhabens verantwortlich gewesen.
Zweihunderttausend Lichtjahre hatten Perry Rhodan und ES in einem kleinen Raumschiff des Unsterblichen von Wanderer bis Barkon zurückgelegt und den Planeten zwei Monate vor der Katastrophe erreicht. Perrys Schilderung später war von einem seltsamen Zwiespalt aus Furcht und Euphorie bestimmt worden, die mir nicht logisch erscheinen wollte. Angesichts der unermesslichen Sternenfülle, auch wenn sie nur auf dem Kabinenmonitor stand, begann ich seine Gefühle endlich nachzuvollziehen.
Wie hatte ES zu ihm gesagt? »Man muß nur die Zeit beherrschen, um auch Herr über den Raum zu sein.« Im Moment sah ich das sogar als die einzige Möglichkeit an, jemals mehr als nur zwei oder drei benachbarte Galaxien zu erforschen.
Mit dem Flug nach Barkon hatte ES bewiesen, daß eine Beeinflussung der Zukunft unter gewissen Voraussetzungen möglich war. Barkon war vor dem sicheren Untergang gerettet worden.
Zugleich hatte der Unsterbliche von Wanderer möglicherweise eines seiner Spiele gespielt. »Du wirst den Barkoniden später wieder begegnen«, hatte er Perry wissen lassen. »Nein, frage nicht, sondern warte
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