PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
nur den Opferplatz entdecken«, antwortete der Zwerg.
Da war er wieder, dieser Kloß, der ihm den Atem raubte. Alaskas Hände verkrampften sich um den schmalen Fenstersims.
»Ich weiß, was die Puppen mit dir vorhaben«, erklang es von außen.
»Dann unternimm etwas!« Alaska schwitzte. Nicht nur einmal hatte er den Tod herbeigesehnt, aber das war etwas anderes, als von diesen seelenlosen Kreaturen umgebracht zu werden.
»Das Geschehen ist vorgezeichnet, du kannst es nicht ändern.«
»Oh doch!«, fauchte Saedelaere. »Und ob ich das kann. Zieh den Anzug der Vernichtung aus und wirf ihn zu mir hoch!«
Tränen des Zorns und der Wut schossen ihm in die Augen, als Ganerc-Callibso entschieden abwehrte. Aber sie versiegten in verständnisloser Verwirrung, als der Zeitlose einige Augenblicke später doch begann, den Anzug aufzuhaken. Umständlich streifte sich der Zwerg das eigentlich viel zu große Kleidungsstück vom Leib.
»Wirf ihn hoch!«, forderte Saedelaere.
Ganerc-Callibso beachtete ihn gar nicht. Alaska hätte schreien können, doch er unterließ es aus Furcht, die Puppen zu wecken. Entgeistert schaute er zu, wie der Zwerg den Anzug auf dem Steinpflaster ausbreitete und alle Unebenheiten glatt strich. Das Cappin-Fragment befand sich in Aufruhr. Grelle Lichtfontänen brachen aus den Maskenöffnungen hervor und überschütteten den Zeitlosen mit allen Farben des Spektrums. Ganerc-Callibso schien es nicht einmal zu bemerken. Aufreizend langsam öffnete er etliche winzige Klappen im Brustteil des Anzugs. Alaska war sich sicher, dass er diese Verschlüsse niemals vorher bemerkt hatte; er fragte sich sogar, ob die Wissenschaftler darauf aufmerksam geworden waren, die den Anzug der Vernichtung jahrelang mit allen Mitteln der Technik untersucht hatten. Jedenfalls hatte nie jemand davon gesprochen.
Der Zwerg trat zurück, schien auf irgenderwas zu warten.
»Was hast du vor?«, schrie Alaska außer sich. Im Hintergrund, in den engen Gassen, die in den Platz mündeten, flammten Fackeln auf. »Die Puppen kommen! Gib mir den Anzug, solange noch Zeit dafür ist!«
In dem Moment begann der Anzug der Vernichtung aufzuglühen. Ein kaltes Feuer zeichnete seine Umrisse nach.
»Was soll das?«, brüllte der Terraner. »Willst du den Anzug vernichten?«
»Ja«, sagte Ganerc-Callibso nur. Wie gebannt starrte er in die Flammen, die sich rasch ausbreiteten und den Anzug der Vernichtung aufzulösen begannen. Das seltsame Kleidungsstück, das allen Bemühungen widerstanden hatte, ihm sein Geheimnis zu entlocken, verbrannte rückstandsfrei in diesem kalten Lohen. Aus dem Innern des Turmes erklang jetzt ohrenbetäubendes Krachen.
»Was geschieht dort?«, stieß Alaska schwer atmend hervor.
»Im Turm entstanden einst die Puppen. Wahrscheinlich lassen sie eine der Urpuppen frei, die du als Prototypen bezeichnen würdest.«
Alaska musste sich dazu zwingen, klar zu denken. Er hatte den Tod vor Augen. Nichts von allem, was jetzt noch geschah, konnte seine Situation verschlechtern. »Du hast auf Derogwanien experimentiert«, herrschte er den Zeitlosen an. »Du bist nicht besser als Bardioc, der die PAN-THAU-RA entführte, um mit den Lebenssporen Versuche anzustellen und ein eigenes Reich aufzubauen.«
Ganerc-Callibso seufzte tief. »Wir waren Brüder und Opfer unserer großen Einsamkeit. Wie alle Mächtigen aus dem Verbund der Zeitlosen. Gerade du solltest das verstehen.«
Alaska Saedelaere schwieg. Schwer klebte seine Zunge am ausgetrockneten Gaumen. Natürlich war es das, was ihn immer schon mit Ganerc-Callibso verbunden hatte. Die Einsamkeit eines Zeitlosen, dieses Anderssein und damit gepaart die Hoffnung, Dinge bewegen zu können, an denen man besser nicht rührte. War das pure Überheblichkeit? der nur die Sehnsucht nach dem Leben, die allen Intelligenzen innewohnte, dieses Wissenwollen, was den Sinn der eigenen Existenz ausmachte?
»Hast du alle deine Antworten gefunden?«, wollte Alaska fragen. Er tat es nicht. Stattdessen wies er den Mächtigen heftig zurecht: »Die Einsamkeit war nicht der Grund für eure Handlungsweise. Ihr wart auf der Suche nach euch selbst, eurer Identität. Weil ihr in den Burgen erwacht seid, ohne viel über euch selbst und eure Herkunft zu wissen. Ist es nicht so?« Das war ungeheuer viel, was aus ihm heraussprudelte. Aber er konnte nicht anders, musste sich endlich Luft machen. Und vielleicht war das alles auch eine Mahnung an sich selbst. »Daraus entstand der Drang, neue Wesen zu schaffen,
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