PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
der Kapuze konnte sich alles verbergen: Ein Mann oder eine Frau, vielleicht nicht einmal ein Menschen. Alles war möglich.
»Das ist die einzige Darstellung des Legendors«, sagte Nydele, »die ich kenne. Atubur hat oft von ihm gesprochen. Er soll die Schiffe ins All geschickt haben. Aber ich kenne die Vergangenheit ebenso wenig wie die Zukunft. Hier.« Sie nahm aus dem größten Metallfach ein Kästchen, das mit dicken Kabeln mit dem Inneren des Schrankes verbunden war. Nacheinander zog sie ein gelbes, schwarzes, rotes und blaues Kabel aus einer MultiVerbindung und reichte Rhodan den Behälter, der aus ebenso aufwendiger Intarsienarbeit bestand.
Rhodan klappte den Deckel hoch.
Im Inneren steckten etwa drei Dutzend fingerlange, dünne Chips zwischen golden schimmernden Kontaktleisten. Nydele musterte den Inhalt der anderen Fächer, in denen sich ausgetrocknete Tintenbehälter, viele Schreibgeräte, Kugeln aus Glas und Stein, einige in durchsichtiges Material eingegossene Pflanzen, Schmuckstücke und Buchkuben befanden; Hinterlassenschaften aus dem Leben des Kommandanten.
»Hier saß er oft und lange.« Die Stimme der Frau nahm Perrys Gedanken in bestimmte Zeiten und Gelegenheiten seiner eigenen Vergangenheit mit. »Er trank Huccar, sprach mit mir und erzählte aus der Zeit, als noch 10.000 Lemurer das Schiff bevölkerten, und erzählte von seinen Visionen und davon, dass jede aufgezeichnete Erinnerung erodiert und schwächer wird und schließlich in der Entropie aufgeht. Vieles habe ich nicht verstanden. Atubur war ein kluger Mann.«
Rhodan klappte behutsam das Kästchen zu, das etwas größer als seine Hand war.
»Wenn es je einen Datenspeicher in der OVIR gegeben hat, dann ist es dieser. Er gehört dir, unsterblicher Rhodan.«
»Ich danke dir«, antwortete Rhodan mit tiefem Ernst. »Wenn wir die Informationen unbeschädigt auslesen können, gehören sie ebenso den letzten Lemurern. Ich verbürge mich, dass sie euch zugänglich gemacht werden.«
Sie nickte und berührte seinen Oberarm. Sie gingen durch die Kor-ridore und das System der Räume bis zum Schleusenvorraum, der in Tageshelligkeit gebadet war. Die Crew des Shifts wartete, kauend und Becher voll heißem Huccar in den Händen.
Rhodan hob lächelnd das Kästchen hoch und sagte: »Jetzt haben wir einen Grund mehr, einen neuen Start zu den Schiffen zu versuchen. Der Datenspeicher!«
»Ich habe den Speicher eurem Anführer gegeben«, bekräftigte Chibis-Nydele unaufgefordert. »Er soll ihn entschlüsseln und den Überlebenden die Geschichte ihres Schiffes berichten.«
Kealil nickte. »Somit steht auch das Ziel unseres Fluges fest. Die PALENQUE. Echkal cer Lethir wird wahrscheinlich toben.«
»Du, Perry, Denetree, Isaias und ich - die anderen leisten in der Zwischenzeit Nydele Gesellschaft? Guter Vorschlag?«, fragte Arsis.
»Einverstanden. Wenigstens so lange, bis die Kommunikation zwischen den Schiffen wieder funktioniert.«
»Eine vernünftige Alternative.« Die Pilotin blickte in den Morgenhimmel, aber zwischen den Wolken waren keine Menttia zu sehen. Sie hob ihren Becher. »Start in zwanzig Minuten.«
In großer Höhe, nahe der Grenze zum luftleeren Raum, hatten sich alle Menttia-Schwärme zu einer einzigen Wolke zusammengeschlossen. Sie schwammen wohlig in dem ständigen Partikelstrom, den die Sonne aussandte, und tauschten unablässig ihre Beobachtungen und die Analysen dessen aus, was sie als Kommunikations-Versuche der Fremden erkannt zu haben glaubten. Viele Menttia wussten, dass es ihnen ebenso wie den Fremden an einer wissenschaftlichen Basis fehlte, an einer gemeinsamen Terminologie, denn im Gegensatz zu den Fremden hatten die Menttia niemals die Notwendigkeit gesehen, ihr Wissen schriftlich niederzulegen.
- Wir hätten in Sand schreiben müssen, und der nächste Sturm hätte alles fortgeweht. -
Die Menttia der Sandbrandung tauschten ihr Wissen mit denen der Mondnähe aus. Ihre osmotische Gedankenverbindung beinhaltete die Vermutung, dass ein Raumschiffwrack und zwei Planetenfähren keine gefährlichen Maschinen waren und ein halbes Tausend Fremder keine Gefahr für die Heimatwelt darstellte. Die Menttia der flammenden Herbstwälder brachten ihre Vermutung ein, dass die Zerstörung der alten Talkessel-Stadt die Gefährdung aus der Vergangenheit ausgelöscht hatte und weitere Sicherheit für alle Menttia gewährleistete und die Zeichnungen der Fremden ihren Willen ausdrückten, ohne Aggressionen auf dem Planeten zu leben.
- Wir
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