PR Lemuria 04 - Der erste Unsterbliche
»Kindchen-Schema« bezeichneten. Große, runde, schwarzblau schimmernde Augen starrten sie an. Entsetzliches Leid lag darin.
Aber auch entsetzliche Macht.
Etwas griff nach Vilgu, umfasste sie, hüllte sie ein.
»Bist du ein Heiler?«
»Nein«, antwortete sie. Zu lügen hätte sie nicht vermocht.
»Egal. Bring mich«, hauchte das Wesen mit dem kindlichen, so schutzbedürftig wirkenden Äußeren, »an einen Platz, wo uns keiner finden kann. Schnell.«
Noch nie hatte sich Vilgu Deponar unerlaubt vom Dienst entfernt. Sie war eine gute Soldatin, immer gewesen, mehr als ein halbes Jahrhundert lang. Einen Vertrauensposten wie den in der Transmitterzentrale einfach zu verlassen, war für sie gleichbedeutend mit Desertion. Dennoch gehorchte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein kaltes Fieber hatte sie erfasst, hielt sie fest wie in einem mentalen Schraubstock. Gab ihr Halt. Stützte sie. Befehle zu befolgen, machte das Soldatendasein aus, und selbst wenn sie den zuvor ergangenen widersprachen - wer war sie, dagegen aufzubegehren? Ein höherer Wille nahm ihr die Verantwortung ab. Sie unterwarf sich ihm gern, fast begierig.
Ein Platz, wo uns keiner finden kann... Vilgus Finger flogen über die holografische Tastatur. Im Nu war einer der kleineren Transmitter umprogrammiert. Sie nahm den Zwerg, ihren neuen Herrn und Meister, der ärger stank als eine wochenlang nicht abgestrahlte Biomülltonne, bei der wächsernen Puppenhand und zog ihn ins Entstofflichungsfeld.
»Wie kann so etwas passieren?«, donnerte Mechtan von Taklir. »Verdammt noch mal, wir haben gewusst, dass die Gefahr einer Kontaminierung bestand! Die Besatzung der LAS-TOOR hat über die Seuche berichtet, die in der LEMCHA OVIR gewütet hat. Deshalb haben wir euch ja in die Schutzanzüge gesteckt, obwohl in der OVIR keine Keime mehr gefunden worden sind. Aber das Risiko war uns bewusst! Und dann schickt ihr einen Gnom über die Fernverbindung hierher, der bei jedem Ausatmen Krankheitserreger verteilt wie ein Trivid-Star Kusshändchen?«
»Wir haben ihn nicht geschickt«, sagte Jars von Aburrir kleinlaut. »Wir können uns ja nicht einmal an ihn erinnern.«
»Wollt ihr nochmals die Aufzeichnung der Sicherheitskameras aus unserer Transmitterzentrale sehen, ja? Aber bitte, gern! Hier kommt sie.«
Mechtan winkte dem Operateur. In der Holosäule erschien der Wicht mit dem überdimensionierten Schädel, stolperte aus dem Ferntransmitter, der Dienst habenden Technikerin entgegen. »Bist du ein Heiler?«, fragte er.
»Nein.«
»Egal. Bring mich an einen Platz, wo uns keiner finden kann. Schnell.«
Und dann entschwanden sie durch eines der lokalen Geräte.
»Heroth Deponar hat einen Privatfilter zwischengeschaltet, der die Koordinaten des Zielorts unleserlich macht. Wir werden sie trotzdem eruieren, aber das kann Tage dauern. Derweil verseucht uns diese Missgeburt das halbe System!«
»Er verfügt offenbar über suggestive Psi-Fähigkeiten«, sagte Achab langsam. Reden und Denken fiel ihm schwer, sein Kopf war wie in Watte gehüllt. »Ich kenne Vilgu Deponar, sie ist eine äußerst verlässliche und pflichtbewusste Frau. Sie hätte sich nie zu seiner Komplizin gemacht, wenn er sie nicht parapsychisch beeinflusst hätte. Auf dieselbe Weise muss er uns überwältigt haben.«
»Auch in der LEMCHA OVIR war es zu Mutationen gekommen«, sagte Solina Tormas. »Die nicht völlig abgeschirmte kosmische Strahlung... «
»Ja, ja. Woher der Giftzwerg sein Talent hat, ist mir momentan egal«, polterte Mechtan. »Ich will wissen, was wir dagegen unternehmen können!«
Achab erinnerte an die Psiso-Netze, die von Terranern und Arkoniden zur Abwehr der mentalen Beeinflussung durch SEELENQUELL eingesetzt worden waren. Was gegen eine Superintelligenz geholfen hatte, sollte auch vor den Suggestivkräften des Le-murer-Mutanten schützen, meinte er. Zähneknirschend erteilte ihm Mechtan den Auftrag, Perry Rhodan einzuweihen und den Terrani-schen Residenten zu bitten, möglichst bald eine möglichst große Zahl der isolierenden Kopfbedeckungen von Terra anzufordern.
Achab verließ dazu die Krisensitzung. Das Gespräch mit Rhodan, der in der PALENQUE Daten aus den Archen auswertete, führte er von einer nahe gelegenen Funkzentrale aus. Der Resident sicherte rasche Hilfe zu. Einer der Funker machte Achab auf eine Meldung aufmerksam, die vor kurzem für ihn eingegangen war. Jenes Schiff seines Geschwaders, das er ins Gorbas-System entsandt hatte, war inzwischen dort angekommen.
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