PR NEO 0034 – Die Ehre der Naats
seine Spur bereits aufgenommen hatten. Er hatte schon viel zu viel Zeit vergeudet.
Nichts wie weg!
Der Wind zerrte an seinen Haaren, aber der Schwung in die enge Ungewissheit fiel ihm leicht, ja, er genoss die Fahrt beinahe wie den Ausflug mit den Boyscouts nach Orlando, oder O-Town, wie sie damals gesagt hatten, bevor große Teile des Orange County durch den steigenden Meeresspiegel überflutet worden waren.
Die rasante Rutschpartie wurde abrupt abgebremst, als der Rettungsschlauch faltig wurde und in einen flacheren Teil überging. Manoli hatte Mühe, die letzten Meter aus der Röhre zu klettern. Dieses Gebilde war auf die Konstitution der Topsider ausgelegt, aber er war nun mal kein Topsider.
Manoli schob die letzten Gummilippen beiseite – und erstarrte. Keine zwei Meter vor ihm stand ein Topsider, der ihn interessiert musterte: Oric-Altan!
Ausgerechnet dieser zwielichtige Berater Megh-Takarrs! Aber er war so weit gekommen, da hielt ihn auch dieser Roboter nicht auf. Manoli schob seinen Körper bewusst behäbig aus dem Rettungsschlauch, tat, als würde er sich strecken – und spurtete los. Knapp vor Oric-Altan schlug er einen Haken und bog im rechten Winkel zu seiner bisherigen Laufrichtung ab.
Trotzdem hatte er keine Chance. Lag es an der hohen Schwerkraft von Topsid oder daran, dass der Roboter die Finte vorausgeahnt hatte – jedenfalls kam er nicht weit. Oric-Altan hatte ihn eingeholt, bevor er das Innere des Turmes betreten konnte. Manoli wollte sich dem Druck seiner Krallen noch entwinden, aber je mehr er sich dagegen wehrte, desto fester wurde der Griff des verkleideten Roboters.
»Lassen Sie Ihre Finger von mir!«, schrie Manoli gegen den Wind. »Sie Mörder!«
»Beruhigen Sie sich! Alles wird gut.« Mit säuselnder Stimme versuchte der Roboter, ihn zu beruhigen.
Manoli durchschaute das Manöver. »Sagen Sie das Ketaran!«, schleuderte er diesem Rico entgegen, der in der Maske eines Topsiders auftrat.
In das starre Gesicht von Rico alias Oric-Altan stahl sich ein zorniger Ausdruck, der durch die zusammengekniffenen Augen fast menschlich wirkte.
»Er wäre noch am Leben, hätten Sie sich an meine Anweisungen gehalten«, sagte er.
Das war zu viel für Manoli. Was bildete sich dieser Roboter ein? Und überhaupt ...
»Wieso hätte ich das sollen? Ich weiß nichts über Sie, nicht einmal genau, was Sie sind! Ich kann nur raten, was für ein Spiel Sie hier spielen ... Aber eines ist sicher: Ein Leben bedeutet Ihnen nichts.«
»Das ist falsch«, sagte der Roboter. »Denken Sie an Ihr eigenes.«
Genau daran dachte Manoli schon die ganze Zeit. Er fühlte die Fäden beinahe körperlich, an denen er hilflos wie eine Marionette an Oric-Altan hing. Und er hasste es, den undurchsichtigen Plänen des Roboters ausgeliefert zu sein. Zu leicht starb man da als Randerscheinung, wie Ketaran und die anderen Arkoniden mit tödlicher Gewissheit erfahren durften.
»Sie halten mich fest!«, schrie er und versuchte sich loszureißen – vergeblich. »Megh-Takarr wird mich umbringen!«
»Das wird er nicht. Ich werde Sie schützen. Wie beim ersten Mal ...«
»Beim ersten Mal?« Manoli verstand nicht, worauf der Roboter hinauswollte. Doch dann dämmerte ihm etwas. »Sie? Sie haben ...«
»Richtig«, antwortete Oric-Altan milde und lockerte den Griff um Manolis Oberarm. »Ich habe dafür gesorgt, dass Sie nach Ihrem ungeplanten Erscheinen auf Topsid dem Despoten entkommen konnten.«
In Manolis Hirn arbeitete es. Die Szenen aus seinen Träumen, die wahnwitzigen Zufälle, wie er Wegelagerern und Sicherheitskräften gleichermaßen entkommen war, und jemand, der so wie jetzt im Verborgenen die Fäden zog, das ergab durchaus Sinn. Ein einzelner Mensch, der aus dem Gewahrsam des Despoten zu fliehen imstande war ... Wenn er es recht betrachtete, war das eigentlich unmöglich. Es sei denn, dieser Mensch hatte Hilfe. Nur ...
»Wieso haben Sie mich dann auf dem Hort der Weisen gefangen genommen und zu Megh-Takarr gebracht?«, fragte er lauernd.
»Weil ich Sie brauche«, antwortete Oric-Altan, was Manoli zutiefst überraschte. »Die Lage hat sich zugespitzt. Wir müssen handeln. Rasch!«
»Wir? Was soll ausgerechnet ich ...«
Verschwörerisch beugte sich der Roboter zu ihm. »Der Despot ist ein eitler, misstrauischer Mann«, sagte er. »Aber wir brauchen ihn. Er muss das Gefühl haben, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Und jetzt kommen Sie! Megh-Takarr wird sich zu fragen beginnen, was ich tue
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