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PR NEO 0040 – Planet der Seelenfälscher

PR NEO 0040 – Planet der Seelenfälscher

Titel: PR NEO 0040 – Planet der Seelenfälscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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seltener auch Familien- oder Sippenangehörigen.
    Eine innere Anspannung erfasste sie. Wie immer, wenn sie auf dem Weg zur Abschiedshalle war. Wie oft hatte sie miterlebt, dass jemand starb? Unzählige Male. Und doch konnte sie sich an jeden einzelnen Tod erinnern. Meist verbrachte sie viele Tage mit den Scheidenden. Eine intensive Zeit, in der sie sie besser kennenlernte, in der sie herausfand, wie sie sich ihre letzten Augenblicke wünschten.
    Planen, recherchieren, vorbereiten. Die Zeremonienfiktion entwerfen, sie einen Programmierer umsetzen lassen, sie selbst durchleben und durchsterben, Schwachstellen suchen, Änderungen vornehmen, umschreiben, umprogrammieren lassen und erneut ausprobieren. Immer wieder, so oft, bis die Zeremonie perfekt war.
    Bevor ein Scheidender seine körperliche Hülle zurückließ und die letzte Grenze überschritt, hatte Arga Tasla seinen Tod zehn-, zwanzigmal oder häufiger erlebt. Eine Erfahrung, die eine kaum fassbare Intimität mit dem Sterbenden schuf und die sie jedes Mal in ein tiefes Tal der Trauer stürzen ließ, wenn sich ein lebendiges Wesen in ein bloßes Stück Materie verwandelte.
    Ein Unding für einen normalen Ara, sich auf eine so enge emotionale Bindung mit einem Patienten einzulassen. Für einen Ender, der seine Aufgabe gut erledigen wollte, jedoch unvermeidlich.
    Zugleich erfüllte sie eine große Freude. Nicht nur, weil Claqrekz' Leiden bald ein Ende finden würde, sondern vor allem, weil die Forschung ihrer Geshur einen gewaltigen Schritt nach vorne machen konnte. In den letzten Tagen hatten sich die Entscheidungsträger ungeduldig gezeigt und darüber nachgedacht, dem Khorrastyr ein früheres Ende zu bereiten – aus keinem anderen Grund, als mit der Erforschung seiner Individualsignatur zu beginnen. Glücklicherweise kam dieser Befehl nicht. Niemals würde sie jemanden vor seiner Zeit töten, egal wie verlockend er als Studienobjekt sein mochte.
    Oder ... niemals wieder.
    Die Tür zur Abschiedshalle glitt vor ihr zur Seite. Der Raum, den sie betrat, wies keinerlei Ähnlichkeit mit dem auf, den das Hologramm hinter der Kontrollkonsole gezeigt hatte, obwohl es sich um denselben handelte.
    Sie schaute in eine weitläufige Halle, die ihren Namen zu Recht trug. Die Tür hinter Arga schloss sich, und als sie sich umdrehte, war nichts mehr davon zu sehen. Stattdessen erstreckte sich ein Säulengang vor der Enderin. An jedem Pfeiler hing eine Schale, aus der grünliche Flammen züngelten. Sie sah Skulpturen aus Gold oder schwarzem Stein, die glänzten, als habe man sie mit Öl eingerieben. Aus hüfthohen, zwölfeckigen Vasen ragten Pflanzen, deren Blüten träge hin und her baumelten. Sie verströmten einen süßlichen, betörenden Duft, der Arga schwindeln ließ.
    Von der Decke hingen breite Lederstreifen. Sie alle zeigten das Cho'chal und das An'chal, die khorrastyrischen Zeichen für Geburt und Sterben, umschlungen von einem reptilienhaften Tier, das sich in den Schwanz biss.
    Arga war jedes Mal fasziniert, wozu Hanral Burlans Programmierkunst imstande war. Obwohl sie genau wusste, dass sie in einem winzigen Raum stand, und obwohl sie diese Fiktion zwölfmal durchlebt hatte, erschien ihr der Sterbetempel der Khorrastyr so real wie der Scheidende selbst.
    Besonders freute sie sich aber, dass sie seit langer Zeit wieder eine Zeremonie hatte vorbereiten dürfen, die umfangreiche Recherchen erforderte. Wie viel hatte sie in den letzten Wochen dazugelernt? Noch vor Kurzem hätte sie keine Ahnung gehabt, worum es sich bei Cho'chal und An'chal handelte und dass die Khorrastyr den Mittellaut wie das Geräusch eines brechenden Knochens aussprachen.
    In diesen Augenblicken liebte sie ihre Aufgabe.
    Doch bereits mit dem nächsten Schritt in Richtung der Medoliege erlosch das Gefühl. Denn wie immer, wenn sie den Scheidenden kurz vor seinem finalen Herzschlag betrachtete, musste sie an Malrathur denken, ihren geliebten, zugleich gehassten Malrathur. An das letzte Mal gemeinsam in dieser Halle. An sein Lächeln, das ihr Mut hatte zusprechen sollen und doch das Gegenteil bewirkt hatte.
    Schluss damit! Sie durfte sich nicht ablenken lassen. Dieser Augenblick war dem Scheidenden heilig. Er bekam keine Gelegenheit, ihn ein zweites Mal zu erleben. Sie musste die Professionalität wahren, die man von einer Enderin erwartete, die sie selbst von sich einforderte. Außerdem beobachtete Gegul sie. Keinesfalls wollte sie, dass er sich an ihrem Leiden ergötzte und ihr später Vorwürfe

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