PR NEO 0042 – Welt aus Seide
worden, den Ort zu betreten, an dem Vidaarm vor achthundert Jahren den Goldenen gegenübergetreten war. Eine große Kuppel aus Tarnseide schützte heute die Zone vor der Untersuchung von Ortern und Taststrahlen aller Art. Vidaarm selbst hatte verfügt, dass die Geheimnisse Kheburs allein Trebolanern vorbehalten bleiben sollten. Sie waren ihr Erbe. Die Fürsorger hatten diese Entscheidung bislang respektiert, aber natürlich waren ihre Wissenschaftler stets begierig gewesen, mehr über die verbotene innere Welt des Trebola-Systems zu erfahren und insbesondere über das, was sich auf ihrer dunklen Seite verbarg.
Als seine Enttäuschung nach einer weiteren fehlgeschlagenen Versuchsreihe zu groß geworden war, hatte sich Je-Ron-Tia daher an einen seiner arkonidischen Kontakte gewandt. Dieser Kontakt war ein junger, ruhiger Mann, den er seit seinen Tagen am Seminar kannte: aufgeschlossen für einen Arkoniden und ein ausgezeichneter La-Jann-Spieler. Er war hocherfreut über die Gelegenheit gewesen, Je-Ron-Tia bei seiner Forschung zu unterstützen, und hatte ihm gern einige allgemeine Hinweise gegeben. Je-Ron-Tia hatte sich im Gegenzug mit einer Reihe von Messdaten revanchiert, und so hatte eins zum anderen geführt ... Und kurze Zeit hatte es wirklich so ausgesehen, als hätte ihre gemeinsame Anstrengung Erfolge gezeitigt.
Das Artefakt hatte sich aktiviert.
Mindestens zwei Stunden lang hatte es getan ... was immer es tat. Es hatte einige auffällige Ausschläge im fünfdimensionalen Spektrum gegeben, aber Je-Ron-Tia hatte nie herausgefunden, welchem Zweck der rätselhafte Gegenstand diente.
Dann war der Zauber verflogen, das Artefakt wieder verstummt. Es war ihm nicht gelungen, den Effekt zu reproduzieren.
Selbstverständlich war die Sache aufgeflogen. Er wusste nicht, ob sein arkonidischer Freund (wenn er denn wirklich einer war) ihn verraten hatte oder ob einer seiner eigenen Kollegen ihn gemeldet hatte. Seine Mutter war noch immer eine kleine Legende auf Khebur, ihre jahrzehntelange fruchtlose Arbeit galt vielen ihrer alten Mitarbeiter als vorbildlich, und so hatte Je-Ron-Tia eine Menge Bewunderer, aber auch Neider.
Das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, dass er in den letzten Tagen einem echten Durchbruch näher gekommen war als jemals zuvor – und dass ihm das ohne die jahrtausendelange Erfahrung der Arkoniden im Umgang mit fünfdimensionalen Feldern niemals gelungen wäre.
Das Versorgungsschiff befand sich nun im Anflug auf die ihm zugewiesene Andockstelle. Und wie sie langsam über die zentrale Nabe des Sternennetzes trieben, auf der die arkonidische Garnison wie ein hässliches Geschwür saß, entdeckte er ein großes Schiff, das auf der anderen Seite des Netzes festgemacht hatte und gerade aus dem Schatten der Garnison trat.
Das Schiff war walzenförmig und länger als alle Schiffe, die Je-Ron-Tia aus dieser Nähe je gesehen hatte. Der Durchmesser der ihm zugewandten Seite war aber deutlich geringer. Sein Rumpf war in dunklen, erdigen Farben bemalt, ein Streifen über dem anderen wie eine Abfolge alter Sedimente. Ein ungewöhnlicher Schiffstyp – vermutlich eine Neuentwicklung der Arkoniden. Wieder stach ihn ein Gefühl der Hilflosigkeit beim Anblick ihrer grenzenlosen technischen Möglichkeiten ins Herz.
Was war er schon im Vergleich zu ihnen? Doch nur ein weiterer unbedeutender Trebolaner, der wie ein Bittsteller bei Hofe darauf wartete, dass man ihn anhörte. Sobald er dieses Schiff verließ, war er ein Niemand.
Nur ein Fremder unter Fremden ...
Da kam ihm eine Idee.
In dem Moment, in dem er das Shuttle bestieg, das ihn zurück nach Trebola bringen würde, würde sein Leben als Ursprungsforscher vorbei sein. Dort unten erwartete ihn nur seine Verurteilung. Seine Familie und Ji-Jin-Ila würden sich von ihm abwenden. Es sei denn ...
Es sei denn, es gelang ihm, das Ruder noch einmal herumzureißen.
Wenn er beweisen könnte, dass seine Forschung nicht vergebens, das Risiko, das er eingegangen, nicht grundlos gewesen war. Wenn er einen echten Durchbruch vorweisen könnte ... seiner Welt ein Geschenk machen ...
Er packte das Artefakt der Goldenen in seine Tasche und machte sich zum Ausstieg bereit.
Der Andockknoten füllte nun das gesamte Fenster aus. Das walzenförmige Schiff war dahinter verschwunden, aber er hatte sich gemerkt, in welchem Sektor des Netzes es verankert worden war.
Zu große Nähe zu Fremden?, dachte er trotzig. Sie werden sich noch wundern ...!
Es war seine letzte
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