PR NEO 0043 – Das Ende der Schläfer
Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Diese Weisheit hatte ich in der einen oder anderen Formulierung von Paal'chck, Cyra Abina und anderen gehört. Nun erst verstand ich die Bedeutung wirklich, fast körperlich.
Mein tastender Geist sprang von Wurzelknolle zu Wurzelknolle, hinterließ Beruhigung, Heilung, Stärke, und dabei suchte ich ganz gezielt nach Ianis, um herauszubekommen, was ihn so beunruhigte.
Doch Ianis war im Netz der Wurzelknollen nicht aufzufinden; entzog er sich diesem wundervollen Ereignis tatsächlich?
Plötzlich hielten alle Chi'quan inne, und auch wir Santor merkten, dass etwas Wichtiges in der Luft lag. Schlagartig beruhigte sich der mentale Äther, und wir schwiegen, während wir uns in die Wahrnehmung unserer Chi'quan einklinkten.
Ein riesiges Holo des Wohltäters entstand über uns. Für uns war es nichts als Luft, aber die Chi'quan zeigten uns, wie diese Luft auf sie wirkte. Es war beeindruckend und sollte die Macht des Goldenen betonen. Und inmitten dieses Holos schwebte eine Kristallscheibe, auf der er selbst stand: Pranav Ketar.
Und er trug einen Kragen aus schwarzen Santor, die ihn in eine Wolke aus Pollen hüllten.
Also hatte er nach dem »Fehlschlag«, den ich wohl entgegen allen Bemühungen Cyra Abinas für ihn immer noch darstellte, eine neue und offenkundig in seinen Augen erfolgreichere Testreihe ins Leben gerufen.
Aber ausgerechnet die schwarzen Santor? Was hatte ich von den Santor Nugrani erfahren? Eigennutz und Aggressivität bestimmten ihr Dasein, und das waren für mich gute Gründe, sie nicht wiederzuerwecken aus ihrem Kälteschlaf, in den sie die Wissenschaftler der Allianz einst verbannt hatten. Der Wohltäter musste sehr, sehr stark sein, wenn er die Nugrani unter Kontrolle halten wollte.
Ich war mir keineswegs gewiss, ob ich das schaffen konnte. Ich kannte nur die wissenschaftlichen Berichte und war ihnen nie selbst begegnet.
Aber die anderen Santor waren von diesen weiteren »neuen« Santor durchaus beeindruckt, auch wenn sie sich bemühten, sie zu ignorieren – dasselbe hatten sie mit mir ja ebenfalls versucht.
Sie kannten das Geheimnis unserer Existenz nicht, weil ich es ihnen nicht hatte zumuten wollen. Und nun? Würden sie sich von den Nugrani beherrschen lassen? Würde eine neue Zeit der Riofe Rohn heraufdämmern?
Und – was plante der Wohltäter mit den schwarzen Santor? Ich spürte eine tiefe Unruhe. War es Neugierde auf oder Furcht vor der neuen Situation? Reagierte ich womöglich nicht anders auf die Nugrani, als die anderen Santor zunächst auf mich reagiert hatten? Tat ich ihnen mit meinem Misstrauen unrecht? Ich musste dringend mit Ianis sprechen. Er würde mir sagen können, ob sich unser Verhalten ähnelte oder nicht.
Die ganze schreckliche Konsequenz erkannte ich damals nicht.
Noch während sich meine Gedanken jagten, ergriff Pranav Ketar, der Wohltäter, das Wort. Es musste überall und von jedem zu hören gewesen sein, direkt und ohne dass ich eines anderen bedurft hätte, um ihn zu verstehen, denn seine Rede erklang sowohl akustisch als auch mental, wobei ich mir sicher war, dass es die Nugrani waren, die dies ermöglichten.
»Santor! Die Allianz bedankt sich bei euch für euren jahrelangen unermüdlichen Einsatz. Ihr gebt verheerten Planeten das Leben wieder, ihr heilt die Wunden, die der Feind ihnen zugefügt hat. Viel zu lange musstet ihr arbeiten, ohne Lohn zu erhalten, ohne dem Sieg und dem Frieden näher gekommen zu sein! Uns allen fehlte die Zeit, unseren eigenen Wünschen nachzugeben – alles musste hinter dem Ziel zurückstehen, das uns das Ringen vorgab.
Ich bedanke mich bei euch, die ihr das Licht der Allianz gesehen habt und wisst, wie hart der Feind uns in all den Jahren bedrängte. Nun, endlich, sieht es so aus, als wäre er niedergerungen, aber ich weiß, wie auch ihr es tief in euch wisst, dass dies ebenso gut eine Finte sein kann. Der Feind ist tückisch und der Sieg gefährdet.
Doch ich sage euch: Wir werden für die Freiheit kämpfen, wir werden ein Licht für alle Welten sein, selbst wenn alle anderen Lichter verlöschen.
In dieser Stunde lasst uns innehalten und uns erinnern an all das Unglück, dem wir uns aussetzten in dem Bewusstsein, dass alles, was geschieht, eine tiefe, schicksalhafte Bedeutung besitzt. Heute sind wir gewiss, dass nichts umsonst war, denn wir stehen nun im Herzen des Feindes.
Und wir erkennen die ganze Macht und Bosheit des Feindes erst jetzt, da unser Blick unverstellt ist.
Der
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