PR NEO 0044 – Countdown für Siron
ein Übriges, um Bahroff in Erregung zu versetzen. Streng genommen hätte er Sergh da Teffron sofort melden müssen, dass der Arzt mehr wusste, als er wissen durfte. Aber war das wirklich klug? Der Halbarkonide hatte in den letzten Wochen viel Zeit gehabt, um über seine Situation nachzudenken – und er glaubte nun einige Dinge klarer zu sehen. Da Teffron scherte sich nicht um ihn und sein Schicksal. In seinen Augen war der Assistent nichts weiter als eine jederzeit austauschbare Testperson. Er wollte wissen, welche Wirkung der Zellaktivator auf ihn hatte, und wenn Bahroff dabei zu Schaden kam, war das ein Preis, den die Hand des Regenten ohne mit der Wimper zu zucken zahlen würde.
Stiqs Bahroff war nicht einfältig. Ihm war von Beginn an klar gewesen, dass Sergh da Teffron ihn nur deshalb an seine Seite geholt hatte, um die selbst ernannte Oberschicht auf Arkon zu demütigen. Er war der Stachel im Fleisch des Hochadels, die permanente Erinnerung daran, dass es das alte Imperium bald nicht mehr geben würde und die Tage der einstigen Eliten gezählt waren. Dabei ließ ihm der Arkonide eine gewisse Narrenfreiheit, weil auch das einen Affront gegen jeden Adelsvertreter bedeutete, doch Bahroff gab sich längst keinen Illusionen mehr hin: Wenn die Hand des Regenten seiner überdrüssig wurde, würde da Teffron keine Sekunde zögern, ihn fallen zu lassen. Im günstigsten Fall durfte Bahroff dann weiterleben, wo und in welcher Rolle auch immer.
Sergh da Teffron war ein Tyrann alter Schule und außerdem jemand, der diese Bezeichnung als Kompliment aufgefasst hätte. Macht bedeutete für ihn, andere spüren zu lassen, dass sie keine Bedeutung besaßen. Er war der geborene Feldherr, der seine Truppen als reines Mittel zum Zweck betrachtete und bereit war, sie jederzeit in die Schlacht zu werfen, wenn es ihm zum Vorteil gereichte.
Bahroff dagegen war alles andere als ein Politiker. Er verstand nicht viel von den komplexen Zusammenhängen, mit denen sich die Hand des Regenten tagtäglich konfrontiert sah. Allerdings hatte er gelernt, sich im Schatten der Mächtigen zu bewegen. Seiner Meinung nach waren Sergh da Teffron und er ein perfektes Paar, doch der Arkonide war offenbar nicht in der Lage, das zu erkennen. Er wollte gefürchtet werden und übersah dabei, dass er mit Furcht zwar Gehorsam, jedoch keine Loyalität erkaufen konnte.
Stiqs Bahroff musste dringend nachdenken. Die Situation war verfahren, zumindest was ihn selbst betraf. Sergh da Teffron hatte ihm nicht mitgeteilt, wohin er geflogen war. Das verschaffte ihm immerhin ein wenig Zeit. Bahroff musste eine Entscheidung treffen – eine Entscheidung, von der womöglich sein Leben abhing.
7.
»Wo ist Stynn?«, fragte Angech Anatarawan. Er zog sich die Kapuze seines Pilgermantels tiefer ins Gesicht und drückte sich in die Deckung einer Mauer. Es war kalt – und sie warteten schon zu lange.
»Woher soll ich das wissen?«, antwortete Ghard Sunderanagar ebenso leise. »Ich habe heute Morgen noch mit ihm gesprochen. Da war alles in Ordnung.«
»Dann müssen wir ohne ihn aufbrechen«, forderte Iessa Sunderasani. Sie gehörte dem selben Meinigen an wie Ghard. Angech vermutete seit Längerem, dass die beiden ein Paar waren. Sicher war er allerdings nicht, und im Grunde ging es ihn auch nichts an.
»Wir sind als Sechsergruppe gemeldet«, gab Yoel Taraharatan zu bedenken. »Werden uns die Wachen durchlassen, wenn wir nur zu fünft sind?«
»Ich weiß es nicht, verdammt!« Unwillkürlich hatte Angech die Stimme gehoben.
»Warum schreist du nicht noch lauter?«, zischte Eineo Battarainagar. »Ich glaube, im Außenring von Keless gibt es noch ein oder zwei Pilger, die dich nicht gehört haben.«
»Entschuldige!«, gab Angech zurück. »Wir haben diese Sache jetzt fast ein Jahr lang geplant, und nun, wo es so weit ist ...«
»Da kommt jemand!« Der bullige Eineo, der die Warnung ausgestoßen hatte, drehte sich zur Seite. Dabei rammte er Angech seinen riesigen Rucksack gegen die Schulter.
Der Sironer stieß einen unterdrückten Fluch aus. »Sei doch vorsichtig!«
Aus dem Zwielicht des frühen Morgens schälte sich eine hochgewachsene Gestalt. Sie kam aus der Richtung der großen Zubringer, die die drei Stadtringe miteinander verbanden. Angech erkannte Stynn sofort an seinem typischen Gang. Als er nahe genug war, zog er ihn an den Aufschlägen seines Pilgermantels grob zu sich heran. Unter dem derben Stoff trug er eine blaue Jacke; um den Hals hatte er sich ein
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