PR NEO 0044 – Countdown für Siron
toxische Kloake verwandelt. Ein Sprichwort unter den auf Artekh 17 stationierten Arbeitern lautete, dass man im Falle eines geplanten Selbstmords einfach nur das nächste Fenster öffnen und tief einatmen musste.
Stiqs Bahroff hatte keinen Blick für seine Umgebung, als er eine der breiten Freibrücken entlangschritt, die die einzelnen Elemente des Geflechts miteinander verbanden. Seit er den Zellaktivator trug, benötigte er nur noch wenige Stunden Schlaf am Tag, was bei der Vielzahl seiner Pflichten fraglos ein Vorteil war. Die Arbeit lenkte ihn immerhin von den düsteren Gedanken ab, die in seinem Kopf herumspukten – ganz zu schweigen von den beklemmenden Trugbildern, die er sah, wenn er die Augen schloss und deren Echos in ihm nachwirkten.
Es gab Momente, da fühlte er sich wie neugeboren. Dann strotzte er vor Energie und Tatendurst, hätte am liebsten das ganze Universum umarmt. Doch nach dem Aufstieg kam stets der Fall, der Absturz in die Untiefen von Niedergeschlagenheit und Selbstzweifeln. In solchen Stunden war er sich sicher, dass der Aktivator ihn langsam zerstörte. Er spürte dessen Impulse, bildete sich ein, wie sich sein Blut unter dem rhythmischen Pochen des geheimnisvollen Objekts in eine stinkende, faulige Brühe verwandelte, die träge durch seine Adern schwappte.
Am schlimmsten waren jedoch die Träume. Wie kurz er die Schlafphasen auch hielt – auf die Träume konnte er sich verlassen. Bislang weigerte er sich, die quälenden Bilder als Visionen zu bezeichnen, auch wenn ihm das, was sie zeigten, seltsam bekannt vorkam. Stiqs Bahroff glaubte nicht an Dinge wie höhere Gewalt oder Vorsehung. Die Zukunft war nicht vorherbestimmt, sondern das Ergebnis der Summe von Entscheidungen, die ein Individuum in der Gegenwart traf. Der Zufall war nicht mathematisch zu berechnen, auch wenn einige Physiker das immer wieder behaupteten.
Dennoch war der Halbarkonide so ehrlich, sich einzugestehen, dass ihn die blitzlichtartigen Eindrücke verstörten. Die zu Dutzenden explodierenden Kugelraumer, die durch das Weltall zuckenden Strahlbahnen, dick wie Gasleitungen und heiß wie Arkons ewige Sonne, die im Raum treibenden Körper von Arkoniden und Naats, die so schrecklich falsch aussahen, ohne dass er hätte sagen können, warum.
Wenn du so weitermachst, ermahnte er sich selbst, wirst du schon bald ein Dauergast in Santeks Labor sein.
Santek! Der Ara war ihm von Anfang an suspekt gewesen. Vielleicht lag es an der aufgesetzten Freundlichkeit, die ihm der Arzt entgegenbrachte. Aras galten ganz allgemein als gefühlskalt und nüchtern, fraglos eine Eigenschaft, die man an gute Mediziner stellen musste, denn wer sich zu sehr mit dem Leid und den Schmerzen anderer identifizierte, verlor den Blick fürs Wesentliche und war nicht mehr in der Lage, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren.
Doch Santek war mehr als nur kaltherzig – er war seelenlos . Ja, das war das richtige Wort. Dieser dürre alte Mann mit dem faltigen Gesicht und den langen dünnen Fingern wirkte auf Bahroff wie ein lebender Toter. Gleich zu Beginn der Untersuchungen, denen er sich auf Geheiß Sergh da Teffrons täglich unterziehen musste, war Bahroff aufgefallen, dass Santek beim Gehen keinerlei Geräusche erzeugte. Als würden seine Füße wenige Millimeter über dem Boden schweben. Er ging nicht, er glitt dahin.
Hinzu kam seine geradezu paranoide Verschlossenheit. Stiqs Bahroff war nicht bekannt, dass Santek mit irgendjemandem auf dem Geflecht eine Beziehung unterhielt, die über das rein Berufliche hinausging. Der Arzt schien sich ausschließlich im Labor oder in seiner Kabine aufzuhalten und nahm nicht einmal an den wöchentlichen Briefings des Abschnittpersonals teil, wie es eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. Bahroff hatte mehrfach versucht, den Ara zur Preisgabe einer privaten Information zu bewegen, doch bis heute wusste er nicht einmal dessen genaues Alter. Als er sich schließlich die Personalakte des Mannes hatte ansehen wollen, teilte ihm die Geflechtspositronik mit, dass diese versiegelt und selbst für ihn nicht zugänglich sei.
Inzwischen war der Halbarkonide sicher, dass es eine Verbindung zwischen Santek und Sergh da Teffron gab. Die beiden mussten sich von früher kennen. Vielleicht waren sie sich begegnet, als die Hand des Regenten noch Gouverneur auf Naat gewesen war. Nur da Teffron konnte die Akte versiegelt haben. Aber warum?
Santeks Bemerkungen über den Zellaktivator und das Päckchen aus dem Trebola-System taten
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