PR NEO 0044 – Countdown für Siron
musste die Rolle eines exotischen Haustiers spielen. Da er trotz Rhodans gutem Zureden partout nicht auf der HIS-KEM-IR zurückbleiben wollte, hatte er sich schließlich in sein Schicksal gefügt.
Die beiden Arkoniden hatten sich außerdem die Haare gefärbt und ein pigmentstimulierendes Präparat geschluckt, das ihre helle Hautfarbe für mehrere Tage abdunkeln würde. Es war erstaunlich, wie stark sich ihr Äußeres dadurch verändert hatte.
Zuerst kam Rhodan die Montur aus Spinnenseide furchtbar eng und unbequem vor, doch schon nach den ersten Schritten schien sich das Material zu entspannen und lag danach faltenfrei am Körper an. Fasziniert strich er über die glatte Oberfläche. Dann zog er die Handschuhe an und probierte den volltransparenten Helm. Goratschin half ihm beim Festmachen des flexiblen Gestells für den Gleitschirm.
»Wenn wir Siron erreicht haben, bilden wir zwei Gruppen«, erläuterte Rhodan die weiteren Pläne. Natürlich erzählte er damit den anderen nichts Neues, denn das Vorgehen war im Vorfeld ausführlich besprochen worden, doch als Astronaut hatte er gelernt, dass es die Nerven aller Beteiligten beruhigte, wenn man vor einem Einsatz noch einmal die wichtigsten Fakten vor seinen Kameraden wiederholte.
»Iwan, Ishy und Belinkhar bilden die erste, Crest, Atlan, Chabalh und ich die zweite Gruppe. Wir schlagen uns unabhängig voneinander nach Keless durch, bleiben aber per Funk in Verbindung. Auf dem Weg gilt es, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. In der Stadt treffen wir uns wieder und legen die nächsten Schritte fest. Fragen?«
Crest warf ihm einen vernichtenden Blick zu, sagte aber nichts. Goratschin streckte die Hand mit dem nach oben gereckten Daumen vor. Kurz darauf meldete Ril-Omh-Er den Gleiter einsatzbereit.
Mit einem leisen Klicken schnappte der Karabinerhaken ein. Rhodan zog probeweise an dem bleistiftdünnen Seil, das ihn nun mit Belinkhar verband. Die ehemalige Matriarchin sah in dem eng anliegenden Anzug nicht unvorteilhaft aus.
»Ist das die Art und Weise, wie sich Männer auf der Erde ihre Frauen einfangen?«, fragte die Mehandor und lächelte schelmisch.
»Nein.« Rhodan lächelte zurück. »Aber so verhindern Frauen auf der Erde, dass ihnen ihre Männer davonlaufen.«
Belinkhar beugte sich wie zufällig nach vorn, um den Sitz ihres Gleitschirms zu überprüfen. Dabei kam ihr Mund dem Ohr Rhodans so nahe, dass er ihren warmen Atem spüren konnte.
»Lass mich da draußen nicht fallen«, hauchte sie.
Mit einer Mischung aus Ärger und Scham registrierte er, dass er errötete wie ein Schuljunge. Diese Frau war ...
»Achtung! Absprung in zwei Minuten!«
Iwan Goratschins lautstarke Stimme holte ihn in die Realität zurück. Er stand kurz davor, einen Stratosphärensprung zu absolvieren. Da blieb für romantische Träumereien keine Zeit.
Die HIS-KEM-IR hatte den weltraumtauglichen Gleiter praktisch im Vorbeiflug ausgeschleust respektive aus gespuckt, wie Ishy Matsu es formulierte. Das primitive Fahrzeug, das aus wenig mehr als einer Lastkabine und einem Triebwerk bestand, würde in der Atmosphäre verglühen.
Rhodan warf einen Blick auf Chabalh. Der Purrer sah aus, als würde er sein Gelübde, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, zum ersten Mal bereuen.
Iwan Goratschin wies sie an, die Helme zu schließen und die interne Versorgung der Anzüge zu aktivieren. Er überzeugte sich persönlich davon, dass alle seiner Anordnung nachgekommen waren, und öffnete erst dann per Knopfdruck die Seitentür des Gleiters.
Hingerissen betrachtete Rhodan die gelbgraue Kugel Sirons unter sich. Er erinnerte sich an einen seiner ersten Testflüge mit einem Überschalljet der USAF, einem Prototypen, der in einer Flughöhe von 18.000 Metern eine Geschwindigkeit von 4,3 Mach erreichte. Damals hatte er die Erde zum ersten Mal vom Weltraum aus gesehen – und es hatte ihn wie ein Blitz getroffen.
Natürlich hatte man ihn während der Ausbildung auf diesen Moment vorbereitet, hatte ihm wieder und wieder gesagt, dass die Bilder und Simulatoren nur eine billige Kopie dessen waren, was man schließlich selbst im Cockpit erlebte, doch der Anblick war so überwältigend gewesen, so erhaben und friedlich, dass er sich tief in seine Seele gebrannt und ihn nie mehr losgelassen hatte.
Auch jetzt spürte er es wieder, dieses Gefühl des In-sich-Ruhens, der absoluten Grenzenlosigkeit. Hier oben verschoben sich die Perspektiven so umfassend, dass man gar nicht anders konnte, als sich
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