PR NEO 0045 – Mutanten in Not
mich nicht dermaßen beleidigt an, Mister Deringhouse. Ich behaupte keineswegs, dass es so war; ich sage bloß, dass es so gewesen sein könnte. Das Rätsel bleibt bestehen, es verliert nur ein bisschen an Brisanz.«
Reginald Bull klopfte mit der Faust auf den Tisch. »Verbindlichen Dank für die konstruktive Kritik – aber aus meiner Sicht lauten die entscheidenden Fragen: Warum der Mars? Warum unser Sonnensystem? Einerseits haben wir mittlerweile erfahren, dass wir mehr oder minder am A... der Galaxis liegen. Die Musik spielt im Machtbereich des arkonidischen Imperiums. Anscheinend. Andererseits, liebe Freunde, mehren sich die Hinweise, dass unsere gute alte Erde doch nicht so unbedeutend ist, wie wir uns in unserer notorischen Bescheidenheit eingeredet haben. Vor einigen Monaten wurde derjenige verlacht, der daran glaubte, der mythische Kontinent Atlantis hätte tatsächlich existiert. Mittlerweile ist das überholt. Atlantis hat existiert. Und ist vor zehntausend Jahren im Atlantik versunken, als die Methans die arkonidische Kolonie angriffen, die sich auf Atlantis etabliert hatte. Daher – bei allem Respekt, Bai Jun – bin ich der Meinung, wir sollten diese ganze Sache mit den Goldenen und ihrem Bemühen, die Spuren eines lang vergangenen Krieges zu tilgen, trotz der miesen Datenlage verdammt ernst nehmen. Wo es einmal gekracht hat, weil gewaltige Interessen auf dem Spiel standen, da kracht's auch wieder. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
Niemand fühlte sich bemüßigt, ihm zu widersprechen; auch nicht Bai Jun, der die Hände über dem Bauch faltete und stillvergnügt in sich hineinlachte.
Caroline war ein wenig kribbelig zumute.
Was sie bisher gehört hatte, ließ sie alles andere als kalt. Sie hatte ihren passabel bezahlten Posten bei der Deutschen Bundespolizei gekündigt und sich Perry Rhodan und der Terranischen Union angeschlossen, weil sie Teil jener Bewegung werden wollte, die der Menschheit den Kosmos erschloss. Aber dass die Ereignisse sich dermaßen überstürzen würden und die Erweiterung ihres Horizonts so schlagartig erfolgte – damit musste sie erst einmal fertig werden.
Das Universum war nicht nur größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Es war auch viel unübersichtlicher. Kaum wurde ein Zipfel angehoben, ein Rätsel gelöst, kamen zehnmal so viele neue Geheimnisse zum Vorschein. Und immer, immer ging es um alles oder nichts.
Sicherheitskoordinator Allan D. Mercant, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, bat ums Wort. Ihn übersah man beinahe ebenso leicht wie Lekoche Kuntata, was in Mercants Fall aber mit seinem Geheimdiensttraining zusammenhing. Er war klein, beinahe ein Zwerg, und 66 Jahre alt. Seine Haare genügten nur mehr für einen weißen Haarkranz. Sein Gesicht jedoch hatte eine nachgerade jugendliche Straffheit, die natürlich wirkte und nichts von der künstlichen Steifheit eines Liftings hatte, wie sie bei vielen Menschen zu beobachten war.
In sachlichem Tonfall sagte er: »Ich bin durchaus bereit, beiden Berichten voll und ganz Glauben zu schenken. Vieles, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, war schlicht unglaublich, nicht wahr? Und doch ist es tatsächlich passiert. Uns hat sich ein Fenster zum Kosmos aufgetan. Wir blicken hindurch, staunen, erschrecken. Alles erscheint so kompliziert ...«
Viele in der Runde nickten, darunter Caroline. Sie war augenscheinlich nicht die Einzige, deren Befangenheit Mercant zum Ausdruck brachte, in seiner üblichen, nüchternen Art.
»Die Santor«, sagte Mercant, »sind beziehungsweise waren zweifelsfrei real. Ergo müssen sie irgendwie auf den Mars gekommen sein, denn auf dem Roten Planeten entstanden sind sie definitiv nicht. Aber ich möchte Ihr Augenmerk auf eine andere Facette der jüngsten Erkenntnisse lenken: nämlich auf die so unglaublich anmutende Psi-Gabe der Santor. Diese besteht laut Betty Toufrys Vision darin, Materie in ein anderes Universum zu ›verschieben‹, also zu versetzen oder auch gegen Materie aus diesem auszutauschen. Sinngemäß demselben parapsychischen Talent sind Freunde von uns hier auf der Erde begegnet, vor ziemlich genau zwei Monaten, und zwar in Person eines gewissen André Noir.«
Mutanten, dachte Caroline Frank. Mutanten, immer wieder Mutanten.
Äußerlich normale Menschen wie sie, die sich, ungeachtet ihrer jeweiligen Herkunft, irgendwann der Erfahrung stellen mussten, dass sie einer winzigen Minderheit angehörten. Weil sie über besondere Talente
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