PR NEO 0045 – Mutanten in Not
geosynchronen Orbit. Die Positionsschwankungen mussten ständig durch Einsatz von Korrekturtriebwerken ausgeglichen werden. Für manche hing das lang gestreckte, aus mehreren scheibenförmigen Bauelementen bestehende Gebilde wie ein drohender Schatten über der Erde; für optimistischere Gemüter, zu denen sich Rhino zählte, stellte »Terrania Orbital« ein Sprungbrett zu den Sternen dar.
Fürs Erste hatte er allerdings genug von galaktischen Abenteuern: Ohne Raumanzug, nur in Küchenkleidung, durchs Vakuum des Weltraums zu wirbeln und im letzten Moment von Traktorstrahlern geborgen zu werden – diese Erfahrung musste er nicht unbedingt nochmals machen ...
Da widmete er sich lieber seinen Gästen. Sie erreichten Rhinos Element über einen Antigravschacht, was für viele schon allein eine Sensation ersten Ranges darstellte. Renate van Zutphen, Rhinos Lebensgefährtin, nahm sie in Empfang und wies ihnen ihre Tische zu.
Auch mit ihr hatte er einen wahren Glückstreffer gelandet. Nicht nur wäre die TOSOMA ohne ihn gen Arkon aufgebrochen, hätte Renate ihn damals nicht mit ihrem zweisitzigen Elektroflitzer zum Startplatz chauffiert – sie war ihm außerdem treu geblieben, hatte auf ihn gewartet und ihn nach seiner Rückkehr wieder in die Arme geschlossen. Nun betrieben sie das Restaurant gemeinsam, und es ließ sich ganz formidabel an, ebenso wie die private Beziehung.
Kurz, Rinat »Rhino« Ugoljew war alles in allem glücklich wie lange nicht mehr.
Nur eins nagte an ihm und ließ ihm keine Ruhe: Er hatte einen Widersacher, der ihm unangenehm auf die Pelle rückte.
Nicht, dass Rhino jemals die kulinarische Weltherrschaft angestrebt hätte. Sie war ihm eher zugefallen beziehungsweise förmlich aufgedrängt worden, von keinem Geringeren als Homer G. Adams, der ihm das Restaurant am Turm angeboten hatte.
»Ein Wahrzeichen wie der Stardust Tower«, hatte der Administrator der Terranischen Union gesagt, »braucht einen gesellschaftlichen Brennpunkt, mittendrin und doch abseits der Tagespolitik und der mittel- bis langfristigen strategischen Entscheidungen. Einen Ort, an dem sich die Menschheit trifft, von den höchsten Repräsentanten bis zum zufälligen Passanten von der Straße; ein richtiges Wirtshaus eben. Wollen Sie der Wirt sein?«
Rhino hatte nicht lang gezögert. Allerdings war ihm die von Adams vorgeschlagene Preisgestaltung anfangs ein wenig wunderlich erschienen. Hochgradig avancierte Haubenküche, die sich trotzdem jedermann leisten können sollte? Ein Drittel der verfügbaren Plätze war nicht vorab reservierbar, sondern wurde täglich via Netz verlost?
»Wir schießen selbstverständlich Subventionen zu. Was wir hier aufzubauen versuchen, speziell in Terrania, ist eine positive Utopie. In hoffentlich absehbarer Zeit sollten wir sowieso ohne das althergebrachte, grässliche, einem kosmischen Bewusstsein widersprechende Schuldgeldsystem auskommen.« Das meinte ausgerechnet der Mann, dessen wirtschaftliches Genie entscheidend dazu beigetragen hatte, Perry Rhodans Vision einer geeinten Menschheit zu verwirklichen! Außerdem hatte er persönlich die neue globale Leitwährung, den Solar, eingeführt ...
»Jeder Glaube geht durch den Magen, besonders der an die Zukunft. Terrania ist ein Symbol, und das Restaurant am Stardust Tower erst recht. Auch ein Symbol der Chancengleichheit, verstehen Sie? Herausragende Begabungen, wie zum Beispiel jene der Mutanten, müssen unbedingt gefördert werden. Eliten sind sinnvoll – aber nur, solange sie nicht die Bodenhaftung verlieren. Deshalb wünsche ich mir, dass grundsätzlich alle Welt im besten Restaurant der Erde, also bei Ihnen, einkehren kann; auch Hinz und ganz besonders Kunz.«
Im besten Restaurant der Erde ... Rhino hatte sich weidlich bemüht, diesen Anspruch zu erfüllen.
Er setzte auf eine produktorientierte, aufs Wesentliche konzentrierte, eben »elementare« Küche ohne Schnickschnack, dafür mit großem Respekt vor dem möglichst frischen und nachhaltig erzeugten Ausgangsprodukt. An regionalen Spezialitäten im engeren Sinne herrschte freilich ein gewisser Mangel: Die mongolischen Nomaden der Gobi ernährten sich recht direkt von den Erzeugnissen ihrer Tiere, also von Fleisch und Milchprodukten, mit einem sehr hohen Anteil an tierischem Fett, der Stadtmenschen gar nicht gut bekommen wäre.
Daher variierte Rhino die traditionellen Gerichte: Buuz und Chuuschuur, gefüllte Teigtaschen, die über Dampf gegart beziehungsweise in Olivenöl statt
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