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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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Geräusche, wenn er die Luke zum Schiff schloss, nur seinen eigenen Atem. Keine haptischen Eindrücke außer den sanften Lehnen seines schwenkbaren Sitzes, dem unmerklichen Vibrieren, wenn sich irgendwo in der Nähe ein Servomotor oder ein Aggregat aktivierte. Keine Körper außer dem gelegentlichen lautlosen Schatten eines anderen Schiffes, wenn es in Sichtweite an ihnen vorbeifiel, und dem drohenden Schemen des dunklen Geschützturms hinter und über ihm, der wie ein schlafender Dämon darauf zu warten schien, aufzuwachen und Feuer zu speien. Die kalte, harsche Harmonie dieses Orts war fast so vollkommen wie die während einer Zeremonie.
    Sein Geist war die perfekte Bühne, um Anetis in all seiner Weisheit willkommen zu heißen. Und er behielt seine Weisheit nicht für sich – seine Aufgabe war, den Tross des Regenten zu lotsen, und das tat er, in jeder wachen Minute: winzige Kurskorrekturen, kleine Berechnungen, die er in Sekundenschnelle vollführte und mittels unmerklicher Augen- und Fingerbewegungen an die Positronik der VAREK'ARK übermittelte und diese an die übrigen Schiffe. Ein Außenstehender hätte kaum bemerkt, dass er nicht völlig reglos saß. In Wahrheit aber war Anra'Thir'Nom die direkte Schnittstelle zwischen dem Gott der Leere und den Schiffen des Trosses und hatte bereits mehr als eine Fehltransition verhindert. Die Probleme, über die sich Ihin da Achran beklagte, wären ohne ihn längst in eine Katastrophe gemündet. Er peilte die Bahnhöfe an, glich die Störungen der Orter aus, minimierte die Sprungunschärfe.
    Er tat das nicht der Khestan zuliebe, und er empfand es auch nicht als lästige Pflicht. Es war sein Dienst an Anetis. Und Anetis war ihm sehr nahe in diesen Stunden, versicherte ihn seines Beistands und tröstete ihn mit seiner Umarmung.
    Manchmal, da war seine Nähe wie ein schwaches Ziehen, das ihn veranlasste, den Arm zu heben; manchmal ein flüchtiger Eindruck am Rande seines Gesichtsfelds, der ihn den Kopf wenden ließ; manchmal ein Flüstern oder eine ferne Melodie. Sein Anzug war wie ein lebendes Wesen und verstärkte all diese Eindrücke, bis er meinte, vor seinem geistigen Auge die Position eines jeden der 179 Schiffe zu sehen, in genauer Relation zu der langen Reihe von Bahnhöfen, welche die Leere wie an einer Perlenschnur durchspannten.
    Manchmal meinte er gar, das ferne Pulsieren der Leuchtfeuer zu spüren: Hela Ariela auf der einen Seite und auf der anderen, zwei Liebende, von einem Abgrund getrennt, Kira Ariela, das seinen Ruf erwiderte – stolze, machtvolle Herzen, die seit dem Anfang aller Tage schlugen und sich am Ende der Zeit nicht der Lotsen entsinnen würden, wenn sie schließlich in einem Sturm aus Licht und Schwerkraft vergingen und ihr Zeichen in der Endlichen Nacht setzten.
    Er wurde aus seiner Andacht gerissen, als sich die Luke zur Kuppel öffnete und langsame Schritte die kurze Treppe heraufkamen, begleitet von leisem Geklimper. Er drehte seinen Sessel und neigte den Kopf. Es war Ihin da Achran. In ihrer weißen, höfisch-militärischen Tracht mochte sie in der Zentrale wie eine Prinzessin wirken; hier draußen, in der engen Kuppel, in der sie kaum aufrecht stehen konnte, wirkte sie seltsam zerbrechlich, so als ob ein plötzlicher Wind aus der Leere fahren und sie davontragen könnte.
    »Ich muss mit Ihnen reden, Lotse.« Sie merkte, dass es keinen Sinn hatte weiterzugehen, wenn sie sich nicht neben ihn auf den Boden kauern wollte, und blieb auf der letzten Stufe stehen, was ihn in seinem Sessel wie von einem Thron auf sie hinabschauen ließ.
    »Es muss einen gewichtigen Grund dafür geben, dass Sie sich persönlich zu mir bemühen und nicht einmal die Gelegenheit ergreifen, meine Namen zu verspotten.«
    Ein nahes Shuttle zündete seine Korrekturtriebwerke, und einen kurzen Moment lang funkelten die Augen der Rudergängerin in ihrem Licht wie die Augen eines leibhaftigen Sternenteufels.
    »Der Funkkontakt ist ausgefallen«, sagte sie. »Wir sind ohne Kontakt zu Hela Ariela und den Bahnhöfen hinter uns.«
    Anra'Thir'Nom hob eine Braue. »Das ist ungewöhnlich. Und besorgniserregend.«
    »Sie betätigen sich neuerdings in der hohen Kunst der Untertreibung?«
    »Was sonst sollte ich sagen? Sie wissen ebenso gut wie ich, dass so etwas noch nicht vorgekommen ist.« Funkrelais waren im Abstand von zwanzig Lichtjahren zwischen den Bahnhöfen platziert. Bei einer Hyperfunkreichweite von neunzig Lichtjahren mussten schon vier hintereinander positionierte Relais

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